Eine Schande?
Bund und Länder haben Quoten zur Aufteilung der Asylwerber auf die einzelnen Länder vereinbart. Diese werden von der Mehrzahl der Länder nicht ganz, nämlich im Schnitt nur zu etwas über 90 Prozent erfüllt.
Bei der Kritik an dieser Tatsache wird von manchen sehr schnell das Wort „Schande“ in den Mund genommen. Ist es aber wirklich eine Schande, wenn es Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Asylwerber gibt, Länder ihre Quoten nicht ganz erfüllen können oder wenn sich beispielsweise Kleingemeinden dagegen zur Wehr setzen, Hunderte Flüchtlinge in irgendwelchen zufällig leerstehenden Objekten unterzubringen?
Man sollte mit dem Wort „Schande“ vorsichtig umgehen. Es ist keine Schande, wenn Österreich, das in der EU nach Malta, Schweden und Luxemburg die vierthöchste Zahl an Asylwerbern pro Kopf der Bevölkerung aufweist, bei ihrer Unterbringung Schwierigkeiten hat. Es ist vor allem auch keine Schande für Länder und Gemeinden: Schließlich ist die Zahl der Asylwerber innerhalb eines Jahres um 150 Prozent gestiegen, in eben diesem Ausmaß mussten auch zusätzliche Quartiere beschafft werden. Das ist fast überall gelungen, aber eben nur fast. Wer die Schwierigkeiten kennt, in den Ballungszentren freie Wohnungen zu finden, kann sich die Probleme der Verantwortlichen vorstellen, rasch Quartiere zu jenen Kosten aufzutreiben, die der Bund dafür refundiert.
Zur Erinnerung: Eigentlich wäre ja der Bund für das Asylwesen und damit auch für die Unterbringung der Asylwerber zuständig. Vernünftigerweise wurde jedoch eine Vereinbarung geschlossen, wonach die Länder geeignete Unterkünfte bereitstellen. Es ist nämlich nicht sinnvoll, die Menschen in Großquartieren zu versammeln, wo die Integration in das soziale Umfeld weitaus schwieriger ist, als wenn sie in kleineren Einrichtungen wohnen. Es ist aber auch nicht sinnvoll, die einzelnen Asylwerber voneinander isoliert in abgelegenen Dörfern unterzubringen, nur damit jede Gemeinde „ihren“ Asylwerber hat. Die Länder haben den besseren Überblick und haben daher diese Aufgabe übernommen.
Wenn man schon das Wort Schande verwenden will, trifft es vielleicht eher darauf zu, dass die Asylwerber so ungleich auf die europäischen Staaten verteilt sind. Eine gerechte Aufteilung der Lasten wäre schon längst eine europäische Aufgabe.
peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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