“Es ist fast wie bei einer Trennung”

Vorarlberg / 23.11.2014 • 18:12 Uhr
Die Vehemenz der Angriffe hat sogar Rauch überrascht. VN/rp

Die Vehemenz der Angriffe hat sogar Rauch überrascht. VN/rp

Landesrat Johannes Rauch spricht im Interview über die neue Dimension der Kritik.

BREGENZ. Am Abend nach der Landtagssitzung vergangenen Mittwoch postete Johannes Rauch (Grüne) auf Facebook: „Die abgrundtiefe Verachtung der Oppositon dem gesamten (neuen) grünen Landtagsklub gegenüber ist nun doch eine neue Kategorie.“ Im VN-Interview erklärt er, wie es ihm persönlich dabei geht und wie er umgekehrt reagiert hätte.

Wie geht es Ihnen nach einigen Wochen in der neuen Aufgabe?

RAUCH: (lacht) Ich bin noch nicht ertrunken. Oppositionspolitik ist ein gemütlicher Schwimmabend im Hallenbad und Regieren ist Schwimmen im offenen Meer. Aber es macht großen Spaß, ich bereue es keine Sekunde.

Also ein großer Unterschied?

RAUCH: Ein Bürgermeister, der zuvor in der Verwaltung tätig war, erzählte mir vor Kurzem, er hätte nicht gedacht, dass der Schritt so groß ist. So ist es bei mir auch. Die Veränderung nach 30 Jahren Oppositionspolitik und einer absoluten ÖVP-Regierung ist ein Kulturwandel.

Ein Wandel braucht doch Zeit?

RAUCH: Ja, und er verlangt allen Beteiligten etwas ab. Der ÖVP, die sich daran gewöhnen muss, nicht allein zu regieren. Uns, zu erkennen, dass wir nicht alles von heute auf morgen verändern können. Und der Opposition, weil wir jahrelang gemeinsam agiert haben. Dass in dieser Eingewöhnungsphase auf beiden Seiten ein bisschen schrägere Töne kommen, kann sein.

Sie spielen auf die Landtagssitzung am Mittwoch an. Hat Sie die Vehemenz der Angriffe überrascht?

RAUCH: Ich würde lügen, wenn ich Nein sage. Die Heftigkeit ist neu. Ich lasse dem Ding jetzt einfach Zeit. Im Sommer können wir zusammensitzen und das Verhältnis beurteilen.

Wäre die FPÖ in der Regierung und hätte die getrennten Stimmzettel nicht sofort umgesetzt, hätten Sie dann nicht auch so hart reagiert?

RAUCH: Ja klar, das habe ich auch gesagt. Das ist eine Symbolgeschichte. Jetzt ist es eben so, dass es nicht sofort passiert, aber wie ausgemacht noch in dieser Legislaturperiode. Wenn nicht, ist es ein gebrochenes Wahlversprechen. Aber so viel Zeit muss sein.

Reinhold Einwallner nannte Sie einen Weltmeister im Handschlagbrechen, Gabriele Sprickler-Falschlunger die Worte von Adi Gross schlichtweg erbärmlich. Wie ist das, nachdem Sie jahrelang mit der SPÖ zusammengearbeitet haben?

RAUCH: Es ist ein Stück weit wie bei einer Trennung. Grün und Rot haben viele Jahre gemeinsam gegen ÖVP und FPÖ Position bezogen und finden sich nun in einer völlig neuen Situation wieder. Diese Aussagen sind momentan zwar nicht lustig, aber wohl nicht zu vermeiden. Cool down, lasst uns das in einem halben Jahr ansehen.

Ist die Erwartungshaltung zu hoch?

RAUCH: Die Einen erwarten jetzt die Rettung der Welt in einer schicklichen Frist. Die Anderen befürchten, dass die Wirtschaft kollabiert und die Welt untergeht. Aber weder das eine noch das andere passiert. Regieren ist beinharte Arbeit, und das jeden Tag.

Gab es am Mittwoch einen Moment, in dem Sie dachten: Ihr wisst ja gar nicht, wie das ist?

RAUCH: Nein, das wäre sehr arrogant. Wir treffen jetzt jeden Tag Entscheidungen, Dinge gehen jedoch nicht von heute auf morgen. Aber von der Opposition darf ich nicht verlangen, zu wissen, wie das ist. Die Opposition ist nicht dafür da, zu schauen, wie es uns geht. Politik ist keine Befindlichkeitsveranstaltung.

Gab es Momente, in denen Sie dachten: In der Opposition hätte ich euch die Meinung gegeigt, liebe ÖVP?

RAUCH: Den Rollenwechsel muss man einfach vollziehen. Du kannst nicht halb schwanger sein. Du kannst nicht halb Opposition sein, und du kannst nicht nur ein bisschen regieren.

Wie erleben Sie denn diese harte Kritik von Menschen, mit denen Sie eigentlich befreundet sind oder waren?

RAUCH: Als ich 1990 als frischgewählter Vertreter von einer Gemeindesitzung nach Hause kam, habe ich mir öfter gedacht: Mein Gott, sind die gemein zu mir. Man lernt schnell, dass das politische Geschäft eine harte Auseinandersetzung ist.

Erwarten Sie sich eine Beruhigung in der nächsten Landtagssitzung im Dezember?

RAUCH: Natürlich nicht. Es ist die Budgetsitzung, und besonders da ist es Oppositionsaufgabe, den Finger draufzulegen. Es muss auch eine Auseinandersetzung geführt werden. Aber nicht auf persönlicher Ebene.