Käse als mögliches TTIP-Opfer

Aussage des deutschen Agrarministers sorgt für Aufschrei. Brüssel beruhigt, Angst bleibt.
SCHWARZACH. Vorarlberg
is(s)t Käse! Dorfkäse, Räßkäse, Bergkäse, Alpkäse. Kaum ein Nahrungsmittel lässt das patriotische Herz der Vorarlberger höher schlagen. Bei uns gibt’s den besten Käse. Was würden Sie sagen, wenn der Vorarlberger Alpkäse aus Texas stammt? Eigentlich undenkbar, aber bald Realität? Kritiker des Freihandelsabkommens TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) befürchten das jedenfalls, die EU-Kommission versucht zu beruhigen.
Kommission beruhigt
Was Anti-TTIP-Aktivisten schon lange befürchtet haben, bestätigte der deutsche Agrarminister Christian Schmidt (CSU) in einem Interview mit dem Spiegel. Er sagte, man könne nicht jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen. Heißt im Klartext: Auch Käse aus den USA könnte „Vorarlberger Bergkäse“ heißen. Laut Aktivisten im Europaparlament, wie dem grünen Abgeordneten Michel Reimon, ein ausdrücklicher Wunsch der amerikanischen Lebensmittelindustrie. Bisher war es ein Kernanliegen der Europäischen Union, regionale Spezialitäten zu bewahren und zu fördern. Genau das Gegenteil könnte mit dem TTIP-Abkommen nun passieren, befürchtet Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger im VN-Gespräch. Die EU-Kommission versucht zu beruhigen.
Sie will nach eigenen Angaben Herkunftsbezeichnungen weiter schützen. „Wir werden dem nicht zustimmen“, versprach Kommissionssprecher Daniel Rosario am Dienstag.
Zwei Käsesorten betroffen
EU-weit gibt es derzeit 1452 geschützte Herkunftsbezeichnungen für Lebensmittel, österreichweit deren 14. In Vorarlberg dürfen sich „Vorarlberger Bergkäse“ und „Vorarlberger Alpkäse“ auf die sogenannte „geschützte Ursprungsbezeichnung“ berufen. Das heißt: Alle Produktionsschritte müssen in Vorarlberg erfolgen. Diese EU-Regel soll regionale Vielfalt fördern, ein Anliegen, das die Landwirtschaftskammer laut Josef Moosbrugger immer unterstützt hat: „In der Vorarlberger Bevölkerung spielt Regionalität eine immer größere Rolle.“ Für ihn Grund genug, strengere Lebensmittelkennzeichnungen zu fordern: „Die Bürger wollen wissen, woher ein Produkt stammt, und wo es hergestellt wird.“
Die nun bekannt gewordene TTIP-Klausel würde genau das Gegenteil bewirken, die geschützten Bezeichnungen sollen abgeschafft werden. Natürlich dürfe jeder einen Bergkäse herstellen, die Herkunft müsse aber erkennbar bleiben. Regionalität sei gerade in Zeiten der Globalisierung wichtig, um sich von anderen Produkten absetzen zu können. Geht es nach Moosbrugger, sollen die Gesetze sogar verschärft werden: „Es geht darum, was ich draufschreiben muss. Die Herkunft sollte erkennbar sein. Ich will keinen Vorarlberger Bergkäse aus Texas oder Ländle-Joghurt aus Kalifornien im Regal sehen.“ Er richtet einen Appell an Österreichs Verhandler, dieser Entwicklung gegenzusteuern. Die Kammer-Vollversammlung habe dazu vor Kurzem eine Resolution beschlossen. EU-Kommissionssprecher Daniel Rosario beruhigte die Gemüter ein wenig: „Wir haben klargemacht, dass der Schutz geografischer Herkunftsbezeichnungen eine unserer Prioritäten ist.“
Viele Kritikpunkte
Das TTIP steht seit geraumer Zeit in der Kritik. Moosbrugger stört sich speziell an der Verhandlungsführung: „Intransparent und hinter verschlossenen Türen.“ Dennoch sickern immer wieder Vertragsinhalte an die Öffentlichkeit. Größter Kritikpunkt ist die sogenannte Investitionsschutzklausel, die es Firmen erlaubt, einen Staat zu klagen, wenn ein neues Gesetz den Konzern Geld kostet. Generell befürchten Kritiker auf dieser und jener Seite des großen Teichs, dass Standards aufgeweicht werden. Während in Europa Umwelt- und Lebensmittelstandards in Gefahr geraten, könnten in den USA die deutlich strengeren Finanzmarktgesetze aufgeweicht werden.
Für die Bevölkerung spielt Regionalität eine immer größere Rolle.
Josef Moosbrugger