Das Wasser ist nun besser geschützt

Europäischer Gerichtshof verschärft Gewässerschutz. Auswirkungen auf Kraftwerke.
Schwarzach. Rund 800 Kilometer liegen zwischen Bregenz und der Wesermündung. Dennoch wirken sich die Ereignisse vor Ort auf Vorarlberg aus. Die Weser soll von der Mündung aufwärts tiefer gegraben werden, damit größere Schiffe nach Bremen und weiter fahren können. Naturschützer laufen Sturm, der Fall wanderte bis zum Europäischen Gerichtshof. Der hat ein Urteil gefällt, das auch heimische Flussbaupläne betreffen wird: Das Verschlechterungsverbot in Gewässern ist streng auszulegen. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen jedes Projekt untersagen, das auch nur eine der Qualitätskomponenten verschlechtert – was auch Wasserkraftwerke betrifft. „Mir ist wichtig, dass im Bereich Wasserkraft die bisherige Praxis weitergeführt wird“, sagt der zuständige Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP, 62) dazu. In Tirol indes fürchtet die Tourismusbranche um Schneekanonen.
Ein Zustand reicht
Die Weser ist ein 450 Kilometer langer Fluss, der bei Bremerhafen in die Nordsee mündet. Unter- und Mittelweser werden für Schifffahrt genützt, vor allem industriell. Damit das so bleibt, wollen die betroffenen Bundesländer Bremen und Niedersachsen den Fluss vertiefen. Naturschützer wehren sich. Sie befürchten, dass der Salzgehalt ansteigt und so Lebensräume für Fische und Vögel gefährdet sind. Heißt: Zumindest dieser Qualitätszustand würde sich verschlechtern.
Sowohl der Zustand eines gesamten Gewässers als auch die einzelnen Komponenten werden in fünf Klassen unterteilt. Sehr gut, gut, mäßig, unbefriedigend, schlecht. Komponenten sind zum Beispiel Fischlebensraum oder Wasserhaushalt. Laut EU gilt bei Projekten im Wasser ein Verschlechterungsverbot, bisher wurde das aber teilweise lax ausgelegt. Meist musste sich der Gesamtzustand um eine ganze Qualitätsklasse verschlechtern, damit ein Projekt abgesagt wurde. Der Europäische Gerichtshof stellte nun fest, dass sich auch einzelne Komponenten nicht verschlechtern dürfen.
Tirol fürchtet um Schnee
In Tirol herrscht bereits Aufregung. Seilbahnsprecher Franz Hörl befürchtet Auswirkungen auf Schneekanonen, da diese Wasser aus Bächen und Seen brauchen. Zur Tiroler Tageszeitung sagte er: „Mit solchen EU-Vorgaben sägen wir uns den eigenen Ast ab, auf dem wir sitzen.“ Gelassener gibt sich die Vorarlberger Politik. Erich Schwärzler, unter anderem Landesrat für Gewässerschutz, beruhigt: „Auswirkungen auf Wasserentnahmen für Beschneiungen kann ich mir nach dem derzeitigen Informationsstand nicht vorstellen.“ Aktuell prüfen Experten im Umweltministerium die Auswirkungen des Urteils. Aus dem Ministerium kommt Entwarnung: „Entnahmen für Beschneiungsanlagen können üblicherweise so gestaltet werden, dass sie mit den Zielen des ökologischen Zustands vereinbar sind.“ Bleibt die Wasserkraft.
Dorith Breindl ist eine dieser Expertinnen des Ministeriums. Sie glaubt, dass Genehmigungen schwerer werden: „Das Urteil könnte vor allem bei Gewässern in den höheren Zustandsklassen zu komplexeren Anforderungen führen.“ In Vorarlberg beschloss der Landtag einstimmig, Gewässer mit dem Prädikat „sehr gut“ nicht anzutasten. In „guten“ Gewässern sind Kraftwerke möglich. Wie stark der Aufwand für Genehmigungen zunimmt, kann Breindl nicht sagen: „Hier sind noch Erfahrungen zu sammeln.“
Auch an der Weser herrscht Unschlüssigkeit. Während die Naturschützer jubeln, haben deren Gegner das Urteil bereits angefochten.
Das Urteil könnte zu komplexeren Anforderungen führen.
Dorith Breindl