Reform-Verweigerung
Als vor einigen Wochen die beiden Landeshauptleute Pröll und Niessl erklärten, in der Bildungsreformkommission auf Bundesebene nicht mehr mitzuarbeiten, war die Aufregung groß. Die Politiker begründeten ihre Entscheidung damit, dass das Bildungsministerium eine weitere Zentralisierung des Bildungswesens in Österreich beabsichtige und es keinen Sinn habe, unter diesen Voraussetzungen weiterzuarbeiten. Viele sogenannte Bildungsexperten äußerten völliges Unverständnis für diese Entscheidung, denn ihrer Ansicht nach muss das Bildungswesen Bundeskompetenz sein.
Es ist seltsam, ausgerechnet den Ländern Reformverweigerung vorzuwerfen, den Starrsinn der Zentralstellen jedoch widerspruchslos hinzunehmen. Mit etwas gutem Willen ist nämlich für jeden sichtbar, zu welchen Auswüchsen schon der herrschende Bildungszentralismus in Österreich führt: Vor wenigen Tagen noch ist darüber diskutiert worden, dass etwa 40 dringend benötigte Junglehrer in Vorarlberg nicht ins neue Dienstrecht wechseln dürfen, weil die Zustimmung irgendeiner Zentralstelle in Wien fehlt. Weshalb solche Fragen nicht auf Landesebene entschieden werden können, bleibt schleierhaft.
Vorarlberg darf auch keine Regelungen erlassen, die Aufnahmetests von Schülern in die Gymnasien vorsehen. Das hat zur Folge, dass der Druck auf die Volksschullehrer, die Kinder besser zu beurteilen, als es eigentlich gerechtfertigt wäre, immer weiter steigt. Jeder kleinste Schulversuch bedarf einer Genehmigung des Ministeriums, von einer Modellregion Gemeinsame Schule ganz zu schweigen. Diese würde wahrscheinlich sogar eine Verfassungsänderung benötigen. Die Besetzung von Direktorenstellen an Gymnasien erfolgt nach schleppenden, angeblich der Objektivierung dienenden jahrelang dauernden Verfahren.
Angesichts dieses eklatanten Scheiterns des Bildungszentralismus in Österreich ist die Kritik an der Entscheidung der Landeshauptleute Pröll und Niessl eigentlich unverständlich. Wenn eine Reform der Schulverwaltung darin bestehen soll, dass offenkundige Missstände noch schlimmer gemacht werden, ist es nämlich angebracht, sich einem solchen Projekt zu verweigern.
Weshalb solche Fragen nicht auf Landesebene entschieden werden können, bleibt schleierhaft.
peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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