Nässe und Kälte waren der Jungstörche Tod

Vorarlberg / 05.07.2016 • 18:35 Uhr
Die Altstörche hatten mit der Kälte kein Problem, die Jungen starben. Foto: VN/Steurer
Die Altstörche hatten mit der Kälte kein Problem, die Jungen starben. Foto: VN/Steurer

Neun von zehn Jungstörchen erleben den Sommer nicht. Bestand nicht gefährdet.

Schwarzach. Das nasskalte Frühjahr war nicht nur für Obst- und Gemüsebauern alles andere als ideal, auch in der Tierwelt haben die widrigen Wetterverhältnisse Schaden angerichtet. So haben über 90 Prozent der geschlüpften Jungstörche die warme Jahreszeit nicht erlebt.

Gefahr für Kibitze

„Die Störche werden das als ganzer Bestand überleben“, gibt Ornithologe Walter Schönenberger (64) dennoch Entwarnung. „Altstörche leben lange. Gibt es ein singuläres Jahr wie dieses, ist der Bestand nicht gefährdet“, sagt der Experte. Trotzdem gefiel niemandem, was dieses Jahr mit den Jungstörchen passierte. Sie wurden Opfer der Nässe und der Kälte, die im Frühjahr das Land überzog.

Sorgen machen sich Vogelfreunde und Naturschützer wegen der Perspektiven der stolzen Vögel in Vorarlberg. Jäger und Wildaufseher befürchten eine drohende Überpopulation der Vögel, wenn das Storchenprogramm nicht korrigiert wird. „Sie stellen eine Bedrohung für Kibitze und andere Bodenbrüter dar“, sagt Reinhard Hellmair, Wildaufseher im Schweizer Ried bei Lusten­au. In seinem Revier haben überdurchschnittlich viele Jungvögel überlebt. „Und ich habe es selber gesehen, wie Störche Kibitze geholt haben und sogar Junghasen“, berichtet der Jäger. Die Störche würden zum Teil sogar durch den Winter durchgefüttert, behauptet Hellmair. „Dann verlieren sie das Zugverhalten. Diese Entwicklung kann nicht gut sein.“

30 Storchenpaare

„Wir zählen derzeit im Land circa 30 Storchenpaare und knapp zehn Jungstörche, die praktisch alle im Rheintal konzentriert sind“, weiß Ornithologe Schönenberger. Vonseiten der Naturschützer und Vogelkundler würde man die Vögel nicht füttern. Dennoch seien mehrere von ihnen schon den zweiten Winter im Land geblieben. Dass es im Winter vereinzelt zu Storchenfütterungen durch Einzelpersonen kommt, bestätigt allerdings auch Schönenberger. Ziel sei es, die Störche eher in die Nähe der Siedlungsgebiete zu bringen, weil sie dort niemandem schaden würden.

Infos über Flugwege

Zum „Oberaufseher“ des Storchenprojekts wurde der Obmann des Naturschutzvereins Rheindelta, Walter Niederer (45), ernannt. Er sieht es als vordringlichste Aufgabe an, möglichst viel Wissen über die Störche und deren Verhalten zu erlangen. „Ich höre viele Dinge, die ich auch gerne glauben will. Aber wir müssen die Fakten über die Störche herausfinden, um dann gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu setzen“, äußert sich Niederer zum Problem. Er fügt an: „Wir müssen wissen, wo sich die Vögel das ganze Jahr hindurch aufhalten, was sie fressen, wem sie schaden.“

Vier Jungstörche, die sich im Bereich Schweizerhaus zwischen Hohenems und Lustenau aufhalten, erhielten kürzlich einen Sender verpasst. Ihre Wege werden nun über einen gewissen Zeitraum genau rekonstruiert. Gewöhnlich fliegen die Vorarlberger Störche in der kalten Jahreszeit über Gibraltar nach Nord- und Zentralafrika und kehren im April oder Mai wieder zurück. „Unsere Störche sind aber oft schon im März wieder da und fangen zu brüten an“, berichtet Reinhard Hellmair. „Einige verlernen ihr Zugverhalten“, ist sich der Wildaufseher sicher. Für Walter Niederer ist klar: „Wir wollen nicht, dass die Störche ihr natürliches Verhalten verändern.“

Wir müssen alle Fakten über unsere Störche he­rausfinden.

Walter Niederer