Fehlende Vereinbarung kostet drei Millionen
Landesrätin Wiesflecker kann sich 15a-Vereinbarung ohne Niederösterreich vorstellen.
Wien, Bregenz. Die Zahl jener Menschen, die in Österreich auf Unterstützung des Staates angewiesen sind, ist im Jahr 2015 stark gestiegen. Die Mindestsicherung verdeutlicht das: Im Jahr 2015 haben laut jüngsten Zahlen des Sozialministeriums 284.374 Menschen Mindestsicherung erhalten. Das sind 10,9 Prozent mehr als im Vorjahr. In Vorarlberg sogar 12,8 Prozent, was die höchste Steigerung in Österreich darstellt.
Durchschnittlich erhielt ein Bezieher 331 Euro pro Monat, insgesamt gaben die Bundesländer im Jahr 2015 765,2 Millionen Euro aus. Wie es 2017 wird, ist noch offen. Die alte Vereinbarung zwischen Bund und Ländern (15a-Vereinbarung genannt) läuft aus. Wie mehrfach berichtet, zanken sich die Parteien über den Inhalt einer neuen Vereinbarung. Zwei Themen behindern derzeit eine Einigung: Die Begrenzung bei 1500 Euro, Deckel genannt, und der Umgang mit Flüchtlingen. Vorarlbergs Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) warnt: „Sollte es zu keiner Einigung kommen, könnte das Vorarlberg bis zu drei Millionen Euro kosten.“ Im Notfall könnte der Vertrag sogar ohne bestimmte Bundesländer unterschrieben werden.
Bund zahlt Versicherung
Im September 2010 wurde die Sozialhilfe durch die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) ersetzt. Eine große Änderung für die Länder betraf die Krankenversicherung. Diese übernahm nämlich der Bund, der mit den Krankenversicherungsanstalten einen besseren Tarif aushandelte. Katharina Wiesflecker befürchtet, dass diese Abmachung hinfällig wäre, sollte keine neue 15a-Vereinbarung unterschrieben werden. „Der Ball liegt jetzt direkt bei Kern und Mitterlehner, also auf der höchsten Ebene“, sagt Wiesflecker. Die ÖVP will die Mindestsicherung weiterhin bei 1500 Euro begrenzen, hat zuletzt aber Bewegung bei den Wohnkosten signalisiert. Aus Niederösterreich kommen weiterhin unmissverständliche Signale. Sollte keine bundesweite Einigung zustande kommen, will das Land ein eigenes Modell einführen, mit Deckel und Mindestaufenthalt. „Wir richten uns ein, dass wir eine eigene Lösung für Niederösterreich ab 2017 machen“, sagte die zuständige Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP).
Für Katharina Wiesflecker bedeutet das: „Es gibt theoretisch die Möglichkeit, dass acht oder sieben Bundesländer mit dem Bund eine 15a-Vereinbarung schließen. Das ist nicht gut, aber es ginge.“ Schon allein der Kosten wegen hätten jedoch alle Länder ein Interesse, zu einem Abschluss zu kommen. „Ziel muss es sein, dass die Vereinbarung noch in diesem Jahr steht.“
Mehr working poor
Die meisten Mindestsicherungsbezieher leben in Wien. Im Jahr 2015 waren es über die Hälfte (56 Prozent) aller Empfänger. Die Zahl der Haushalte, sogenannte Bedarfsgemeinschaften, die Mindestsicherung bekamen, nahm im Vergleich zu 2014 um 10,2 Prozent zu. Im Schnitt erhält eine Gemeinschaft 568 Euro pro Monat, am meisten in Tirol (809 Euro), gefolgt von Vorarlberg mit 763 Euro. Wiesflecker relativiert: „Das muss mit der Armutsgefährdungsschwelle verglichen werden. Die liegt in Vorarlberg bei 1163 Euro.“ Also 400 Euro über dem durchschnittlichen Mindestsicherungsbezug pro Haushalt. 2015 wurden 688 Personen in den Arbeitsmarkt wiedereingegliedert. 2011 waren es 405 Menschen.
Im Schnitt verweilt ein Bezieherhaushalt acht Monate lang in der Mindestsicherung, in Vorarlberg sind es nur sechs Monate. Die Zahl jener Menschen, die trotz Gehalt Mindestsicherung beziehen, steigt indes stetig. 2015 waren in Vorarlberg 18,9 Prozent der Bezieher working poor, 2011 waren es noch 15,2 Prozent. Österreichweit arbeiten zwölf Prozent der Mindestsicherungsbezieher.