Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

CETA und Mordio

Vorarlberg / 20.10.2016 • 19:10 Uhr

Unter allen gallischen Stämmen, schreibt Julius Cäsar in seinem Bericht „Über den Gallischen Krieg“, seien die Belgier die tapfersten. Er begründet dies allerdings wenig schmeichelhaft damit, dass die Belgier am weitesten von dem, was Cäsar als Zivilisation betrachtete, entfernt lebten. Die Nachfahren der damaligen Belgier sind wohl die Wallonen. Ihre heutigen Landsleute, die niederländisch sprechenden Flamen, sind schließlich ein germanischer Stamm.

Die Region Wallonie in Belgien hat mit ihrem Nein zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada nicht nur in der EU viel Gezeter ausgelöst, sondern weltweite Aufmerksamkeit erzielt. Ob die belgische Zentralregierung denselben Weg wie die Wallonie gehen wird, ist allerdings fraglich. In den verbleibenden Tagen bis zur geplanten feierlichen Unterzeichnung von CETA wird wohl alles unternommen werden, von Geldangeboten über Versprechungen bis hin zu Drohungen, um die aufmüpfige Wallonie auf Linie zu bringen.

In Europa haben viele ein Problem damit, dass eine verhältnismäßig kleine Region (von der Einwohnerzahl immerhin mehr als die Hälfte Österreichs) wegen ihrer Kompetenzen, die ihr die belgische Verfassung zugesteht, ein so wichtiges Abkommen blockieren kann. Sven Giegold, deutscher Abgeordneter der Grünen im Europäischen Parlament, brachte das Unverständnis mit entwaffnender Offenherzigkeit auf den Punkt: Es sei zwar erfreulich, dass CETA einen Dämpfer erhalte, es sei aber ein Problem, wenn jeder in Europa blockieren könne.

Giegold täuscht sich. Man kann zu CETA stehen wie man will. Aber es ist nicht grundsätzlich schlecht, dass auch kleine Mitgliedstaaten, ja sogar Regionen blockieren können. Denn dieses Recht hat eine wichtige Konsequenz: Nur deshalb, weil CETA alle Parlamente in der EU passieren muss, war es überhaupt möglich, dass ein Thema wie Freihandel und Schiedsgerichte den Weg aus den politischen Hinterzimmern zu den Bürgern findet und nicht weiter hinter verschlossenen Türen abgehandelt wird.

Es geht also um ein wichtiges demokratisches Gut: Parlamente als Vertretung der Bevölkerung können sicherstellen, dass weitreichende Entscheidungen, die alle betreffen, auch die notwendige Öffentlichkeit und Transparenz erhalten. Darum geht es, nicht um Blockade als Selbstzweck.

Es zeigt sich außerdem auch in diesem Fall, dass regionale Parlamente oft näher an den Anliegen der Bevölkerung sind als Zentralstellen.

Ob die belgische Zentralregierung denselben Weg wie die Wallonie gehen wird, ist allerdings fraglich.

peter.bussjaeger@vorarlbergernachrichten.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus
und Universitätsprofessor in Innsbruck.