Die letzte rote Bastion wackelt

Vorarlberg / 08.05.2017 • 19:40 Uhr
VN-Bericht vom 27. März 1995.
VN-Bericht vom 27. März 1995.

Christliche Gewerkschafter greifen nach dem ÖGB-Vorsitz. Wahl in einer Woche.

Schwarzach. Es gibt Historiker, die der Theorie anhängen, dass Ereignisse wiederkehren, natürlich in abgewandelter Form. Auf den ÖGB Vorarlberg trifft dies jedenfalls zu. Am 25. März 1995 wählte die Landeskonferenz des Österreichischen Gewerkschaftsbundes Norbert Loacker zum neuen Vorsitzenden. Mit seiner Wahl ging ein Eklat einher. Loacker gehört den Sozialdemokratischen Gewerkschaftern (FSG) an, die konkurrierenden Christlichen Gewerkschafter (FCG) wollten einen eigenen Kandidaten durchbringen. Am Ende verließ die FCG die Landeskonferenz, die FSG stimmte alleine ab.

In einer Woche, am 16. Mai, wählen die Delegierten in Koblach erneut einen Vorsitzenden. Wieder stellt sich Norbert Loacker zur Wahl. Und wieder wittern die Christlichen Gewerkschafter ihre Chance. Sie wollen Klaus Bitsche in das Amt hieven. Dem vorausgegangen sind wochenlange Verhandlungen über die Zahl der Delegierten. Den Grünen könnte dabei eine entscheidende Rolle zukommen. Fest steht jedenfalls: Die letzte rote Bastion in Vorarlberg droht zu fallen.

Zwist um Delegiertenzahl

129 Delegierte sind wahlberechtigt. 99 werden von den Fachgewerkschaften entsandt, 25 vom Landesvorstand, fünf vom Präsidium. Am 13. April lief die Nennfrist ab. Nach derzeitigem Stand entsendet die FSG 65 Delegierte, die FCG 62 und die Grünen und Unabhängigen (Auge/UG) zwei. Für Christgewerkschafter Bitsche ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Er moniert, dass etwa die Bau-Holz-Gewerkschaft alle acht Delegierten aus der FSG ausgewählt habe, obwohl das Stärkeverhältnis drei FCG-Delegierte vorsehen würde – zumindest laut eigener Auskunft. 

FSG-Fraktionsobmann Werner Posch widerspricht: „Die FCG kommt in der Bau-Holz-Gewerkschaft auf kein Mandat.“ Zudem sei die Nennfrist abgelaufen. Es wäre genug Zeit gewesen, zu diskutieren. Außerdem habe die FCG noch nach der Frist einen GPA-Delegierten mit der FSG getauscht. Bitsche entgegnet: „Wir bekommen nicht einmal die Zahlen, ob uns ein Delegierter zustehen würde. Wir glauben schon.“ Noch bis zur Landeskonferenz am 16. Mai könnten Delegierte gewechselt werden. Den Entsandten wird jedenfalls ins Gewissen geredet. Ein FCG-Delegierter erzählt den VN, ihm sei noch einmal eingeschärft worden, richtig abzustimmen.

Grüner Kandidat

Die Auge/UG kann sich indes über Umwerbungsversuche freuen. „Ja, es hat Gespräche mit beiden Seiten gegeben“, berichtet  Vorstand Mario Lechner. Die Fraktion habe sich noch nicht festgelegt, wie sie bei einer Pattsituation reagieren würde. Mehr noch: Lechner kandidiert selbst zum Vorsitzenden.

Loacker will sich zum Hickhack nicht äußern: „Ich habe keine Zeit für schwarze Spielchen. Ich bin für alle Mitglieder da.“ Sein Fraktionsobmann Posch fügt an: „Wenn es knapp wird, weckt das eben Begehrlichkeiten bei der anderen Fraktion. So wie es aussieht, wird Norbert Loacker weiter Vorsitzender bleiben.“ Bitsche will die Wahl von der Gewerkschaftsarbeit trennen: „Wir wollen den undemokratischen Machenschaften schaden, nicht der Institution ÖGB selbst. Die ist als Sozialpartner absolut notwendig.“ Er kann beruhigt sein: Auch 22 Jahre nach dem Eklat vom 25. März existiert der ÖGB im Land.

Ich habe keine Zeit für schwarze Fraktionsspielchen.

Norbert Loacker