„Das ist eine Pseudodebatte“

Vorarlberg / 09.07.2017 • 20:05 Uhr
Landtagspräsident Sonderegger ist überzeugt: „Föderalismus ist viel effizienter als alles, was jemand von woanders aus regelt.“VN/Hartinger
Landtagspräsident Sonderegger ist überzeugt: „Föderalismus ist viel effizienter als alles, was jemand von woanders aus regelt.“VN/Hartinger

Landtagspräsident hält U-Ausschuss-Regeln für funktionstüchtig und ausreichend.

Schwarzach. Der morgige Dienstag ist der 1000. Tag von Harald Sonderegger als Vorarlbergs Landtagspräsident. In seine Zeit fällt der erste Untersuchungsausschuss des Landtags. Im VN-Interview erklärt er, weshalb er nach der Premiere wenig Verbesserungsbedarf sieht. Den Bundesrat will er hingegen stärken.

Wie schwierig ist es, überparteilicher Landtagspräsident und ÖVP-Landtagsabgeordneter gleichzeitig zu sein?

Sonderegger: Nicht schwierig. Es gehört zum Anforderungsprofil eines Landtagspräsidenten, sowohl in der Repräsentation als auch in der Sitzungsführung einen strengen Maßstab an Objektivität anzulegen. Aber natürlich habe ich als normaler Abgeordneter einer Fraktion auch ein Mäntelchen um.

Sind Sie ein strenger Sitzungsleiter?

Sonderegger: Ich habe nicht das Gefühl, dass mir das nachgesagt wird. Eine politische Debatte darf durchaus lebendig sein, auch einmal etwas emotionaler. Streng werde ich aber, wenn es unter die Gürtellinie geht.

Wie einfach ist es für Bürger, sich an der Politik zu beteiligen?

Sonderegger: Grundsätzlich ist der Landtag sehr offen, Bürger können ihre Anliegen gut einbringen. Petitionen zum Beispiel kann jeder einreichen, sie werden zumindest formal garantiert behandelt. Wie damit dann umgegangen wird, liegt stark in der Verantwortung der Mandatare. Auch da sind die Hürden niedrig. Um ein Thema im Landtag zu behandeln, reicht die Unterschrift von zwei Abgeordneten.

Petitionen führen dennoch selten zum Erfolg.

Sonderegger: Ein Petent ist von seinem Anliegen natürlich persönlich überzeugt, für ihn ist es sehr wichtig. Dann ist er natürlich enttäuscht, wenn sein Anliegen nicht eins zu eins umgesetzt wird.

In Ihre ersten 1000 Tage fällt der erste U-Ausschuss des Landtags. Wie lautet Ihr Resümee?

Sonderegger: Die Premiere war durchaus spannend. Rein formalrechtlich beurteilt sind wir passabel und gut zurande gekommen. Es hat im Vorfeld ein paar organisatorische Diskussionen gegeben, etwa darüber, wie Materialien zugänglich sind. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass wir detailliertere Bestimmungen oder ein neues Gesetz brauchen. Aus juristischer Sicht sind die Regeln klar und funktionstüchtig.

Derzeit könnte die Mehrheitspartei die Bestellung eines Verfahrensanwalts blockieren und so den U-Ausschuss verzögern.

Sonderegger: Ja, wobei das eine formalrechtliche Pseudodiskussion ist. Darüber haben wir ja nicht diskutiert, sondern mehr über das Thema selbst. Wir von der Direktion haben schon im Vorfeld die Fraktionen darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich auf dünnes Eis begeben. Danach drehten sich die Debatten meistens um Aktenschwärzungen und darum, wer überhaupt Akten vorlegen muss.

Derzeit entscheidet jede Behörde selbst, welche Akten sie vorlegt und wie sie schwärzt. Niemand darf das kontrollieren.

Sonderegger: Wir haben versucht, dass der Landesvolksanwalt von den Behörden um eine Stellungnahme gefragt wird. Manche sind bei den Schwärzungen vielleicht etwas zu übergenau gewesen, was womöglich der Premiere geschuldet war. Die Diskussion hätte man sich erspart, wenn der Volksanwalt das beurteilt hätte.

Gibt es beim Instrument U-Ausschuss etwas zu verbessern?

Sonderegger: Eigentlich hat man jede Frage sehr ordentlich abwickeln können. Ich werde im Laufe des Herbstes alle Fraktionen einladen, um uns noch einmal auszutauschen. Aus heutiger Einschätzung ist nicht wahrscheinlich, dass sich dramatisch etwas ändert.

Als Landtagspräsident sind Sie ein Befürworter des Föderalismus. Wie kann dieser effizienter werden?

Sonderegger: Indem wir etwa lernen, anders zu fragen. Diese Frage legt ja nahe, Föderalismus sei ineffizient. Ich persönlich bin zutiefst überzeugt, dass Föderalismus und gelebte Subsidiarität viel effizienter sind als alles, was von irgendjemandem weiter entfernt geregelt wird.

Die Länder konnten sich nicht auf eine gemeinsame Mindestsicherung einigen. Jetzt gibt es neun Modelle.

Sonderegger: Ist das so furchtbar? Neun Ansätze bieten auch neun Möglichkeiten, von anderen zu lernen. Vorarlberg hat eine durchaus passable Regelung gefunden.

Anders gefragt: Muss der Bundesrat stärker werden?

Sonderegger: Ja. Mir würde etwa das deutsche Modell deutlich besser gefallen. Außerdem soll der Bundesrat ein tatsächliches Veto bekommen, das fordern wir schon lange.

„Das ist eine Pseudodebatte“
„Das ist eine Pseudodebatte“
„Das ist eine Pseudodebatte“
„Das ist eine Pseudodebatte“

Zur Person

Harald Sonderegger

ist seit 2014 Landtagspräsident.

Geboren: 19. Februar 1964

Wohnort: Schlins

Laufbahn: 1995-2013 Bürgermeister von Schlins, 2011-2013: Gemeindeverbandspräsident, 2013-2014 Kulturlandesrat