“Dem Rhein hat man sehr viel Platz genommen”

WWF-Studie über Flussräume in Österreich. Das Wasser braucht mehr Raum.
Wien, Schwarzach Die aktuelle Studie des World Wildlife Fund über die Entwicklung der Flussräume in Österreich zeigt auch für Vorarlberg ein klares Bild. Die Retentionsflächen, jene Flächen also, in welche das Wasser im Überschwemmungsfall fließen soll, werden kleiner, gefährdete Siedlungsgebiete größer.
Große Schäden erwartet
Die Schäden durch Flusshochwässer werden in Österreich aufgrund des Klimawandels bis 2070 um 464 bis 1317 Prozent steigen, warnt das Joint Research Centre der EU-Kommission in einer Studie von 2016. Flusstäler sind besonders gefährdet, weil dort seit 1950 jeden Tag zwei Hektar wertvoller Wiesen, Äcker und Auwälder verbaut wurden. Geht diese Entwicklung ungebremst so weiter, wird es laut WWF gefährlich. Viele natürliche Überschwemmungsflächen sind bereits unter Beton und Asphalt verschwunden. Diese Flächen fehlen, um der steigenden Hochwassergefahr zu begegnen. Heute leben 3,7 Millionen Menschen weniger als 2,5 Kilometer von einem Fluss entfernt.
Herausforderung Rhein
„In Vorarlberg“, sagt WWF-Mitarbeiter und Studienauftraggeber Gerhard Egger (43), „sticht natürlich der mächtige Alpenfluss Rhein ins Auge. Man hat dem Gewässer in der Vergangenheit sehr viel Platz genommen.“ Den gesamten Flussraum in Vorarlberg bemisst die Studie mit 129,74 Quadratkilometer, allein Siedlungs- und Gewerbeflächen nehmen davon 30 Quadratkilometer ein. Geht die Entwicklung so weiter, werden es laut Studie im Jahr 2070 bereits über 37 Quadratkilometer sein. Was dem Experten in Vorarlberg sonst noch auffällt: „Es sind im westlichsten Bundesland auffallend viele Feuchtwiesen- und Moore verloren gegangen. Ich weiß nicht, ob das vielleicht damit zu tun hat, dass es einmal überdurchschnittlich viele davon gab“, sagt Egger. Immerhin ortet der WWF-Mitarbeiter in Vorarlberg eine Trendwende im Bewusstsein für Flussräume. „Das ist klar zu beobachten und sehr erfreulich“, bemerkt der Biologe. Dass das mit dem Mammutprojekt Rhein-Erholung-Sicherheit (Rhesi) zu tun hat, stellt Egger nicht in Abrede. Die Wahrnehmung von Hochwasser und den daraus resultierenden Gefahren sei generell eine andere als noch vor Jahren. „Man verwendet heutzutage den Begriff Risikomanagement und nicht mehr Hochwasserschutz. Aus dem einfachen Grund: Man weiß, dass man absoluten Schutz nicht garantieren kann.“ Auch beinhalte der Begriff Überschwemmung nicht automatisch Schrecken. „Es kommt darauf an, was überschwemmt wird. Sind es Feuchtwiesen, kann das nützlich sein“, so Egger.
Flüssevisionen
Um den Bodenverbrauch einzudämmen, hat der WWF auch sogenannte Flüssevisionen erarbeitet. Ziel: Der Flächenverbrauch soll um ein Viertel reduziert und damit österreichweit 146 Quadratkilometer an Überschwemmungsfläche bewahrt werden. Laut WWF wäre es dadurch möglich, die Ansprüche von Schutzwasserwirtschaft, Ökologie und Erholungsnutzung integriert zu betrachten.
Die WWF-Studie wurde vom Naturraumplanungsbüro Revital durchgeführt.
„In Vorarlberg sind auffallend viele Feuchtwiesen und Moore verschwunden.“
