„Sie sind weder Bestien noch Kuscheltiere“

Vorarlberg / 19.01.2018 • 22:01 Uhr
Christian Pichler verlangt einen internationalen Wolfgipfel. WWF
Christian Pichler verlangt einen internationalen Wolfgipfel. WWF

Wolfexperte verlangt einen übernationalen „Wolfgipfel“.

Schwarzach Der WWF versteht sich als Anwalt der Wölfe in Österreich. Sein Wolfexperte Christian Pichler wirbt um Verständnis für Meister Isegrim und streicht dessen Nutzen für die Ökologie hervor.

 

Die Agrarreferenten fordern die Aufhebung des absoluten Schutzstatus von Wölfen. Was ist so schlimm daran, wenn Wolfsrudel, die Schaden anrichten, bejagt werden dürfen?

Pichler Die Referenten wollen eine Herabsetzung des Schutzstatus von Anhang IV auf Anhang V. Auch wenn der Wolf in Anhang V noch immer einen gewissen Schutz genießt, frage ich mich: Warum braucht es diese Verschiebung? Auch Anhang IV erlaubt doch die Entnahme von Problemwölfen. Dazu braucht es diese Schutzreduzierung nicht. Es geht den Agrarreferenten also um etwas anderes, nämlich um generelle Maßnahmen gegen den Wolf. Dagegen wehre ich mich.

Aber nimmt die Wolfpopulation in Österreich mit all ihren negativen Auswirkungen nicht allmählich überhand?

Pichler Es gibt klare europäische Richtlinien für Wölfe mit der klaren Verpflichtung, diese Tiere in einen günstigen Erhaltungszustand zu bringen. Wir haben derzeit in Österreich nicht mehr als circa 20 Wölfe, zehn davon gehören zum Wolfsrudel Allensteig. Der Wolf nimmt nicht in der Dichte zu, sondern in der Fläche. Man kann also in heute noch nicht vom Wolf besiedelten Regionen irgendwann Wölfe haben. Aber die gehen nie über eine bestimmte Zahl hinaus. In Allensteig etwa wird es nie mehr als zehn Wölfe geben. Die Jungen ziehen dort weg, Eindringlinge würden vom Rudel getötet.

 

Was ist ein guter Wolf, was ist ein Problemwolf?

Pichler Wölfe sind von ihrem Wesen her neugierig und intelligent, mit einer natürlichen Scheu vor dem Menschen. Das heißt nicht, dass es nicht trotzdem zu Begegnungen kommen kann. Wenn der Mensch zum Beispiel an ihrem Lebensraum etwas ändert, spüren die Tiere das sofort und begutachten diese Veränderungen. Dann kann es zu Begegnungen kommen. Ein Wolf wird womöglich zum Problemwolf, wenn er sich aktiv Menschen nähert. 

 

Können Sie nicht nachvollziehen, dass gewisse Menschen Vorbehalte gegenüber Wölfen haben, zum Beispiel Landwirte?

Pichler Natürlich kann ich das. Daher müssen auch Möglichkeiten aufgezeigt werden, Probleme zu lösen. Es stehen zum Schutz von Nutztieren verschiedene Maßnahmen zur Auswahl: der Einsatz von Herdenhunden, Behirtungen oder Umzäunung.

 

Man könnte sich nun fragen: Wozu soll man all das brauchen? Keine Wölfe zu haben wäre einfacher.

Pichler Dann sage ich: Der Wolf kann überaus wichtige ökologische Aufgaben wahrnehmen. Ich beziehe mich dabei besonders gerne auf Georg Brosi, der bis 2016 Jagdinspektor für Jagd und Fischerei in Graubünden war, wo es bekanntlich Wölfe gibt. Brosi spricht vom großen Nutzen der Wölfe, die dort die Überpopulation des Schalenwildes reguliert haben und in erster Linie kranke und schwache Tiere rissen. Dadurch trugen sie zur Verbesserung des Gesundheit der Wild­bestände bei. Ebenso ermöglicht der Wolf eine Verjüngung des Waldes.

Wie kann man das Wolfsproblem in den Griff bekommen?

Pichler Ich würde mir einen übernationalen Wolfgipfel mit Vertretern aller Interessensgruppen wünschen. 

 

Hatten Sie persönlich schon Begegnungen mit Wölfen?

Pichler Ja. Aber die Tiere befanden sich in ungefähr 600 Meter Entfernung.

 

Was gefällt Ihnen an Wölfen so besonders?

Pichler Mich fasziniert ihr ökologischer Wert. Aber ich will sie nicht mystifizieren. Wölfe sind weder Bestien noch Kuscheltiere.

Der Wolf macht sich auch in mitteleuropäischen Ländern breit und sorgt für viele Diskussionen.dpa
Der Wolf macht sich auch in mitteleuropäischen Ländern breit und sorgt für viele Diskussionen.dpa