“Wir sind nicht gegen Rhesi”

Grundstücksnutzer befürchten steigendes Grundwasser in Koblach.
Koblach Der Begriff Jahrhunderthochwasser ist keine Erfindung von Sensationsmedien, sondern eine offizielle Messgröße. Die Höhe eines Wasserpegels wird mit dem Kürzel HQ angegeben. Wird ein Pegelstand mit HQ100 klassifiziert, ist der Fluss statistisch gesehen so hoch wie ein Mal in 100 Jahren. Jahrhunderthochwasser eben. Der Rhein in Vorarlberg ist aktuell für HQ100 gerüstet – steigt das Wasser weiter, droht eine Katastrophe. Rhesi soll das ändern. Das Hochwasserschutzprojekt „Rhein – Erholung und Sicherheit“ soll die Bevölkerung im Rheintal vor HQ300 schützen, also einem Pegelstand, der statistisch alle 300 Jahre erreicht wird.
Das heißt: Die Wassermenge, die durch den Rhein fließen kann, soll von 3100 auf 4300 Kubikmeter pro Sekunde erhöht werden. Dies wollen die Verantwortlichen erreichen, indem sie das Rheinbecken aufweiten. Gleichzeitig wollen sie den Rhein ökologisieren. Dazu sind sogenannte Trittsteine geplant, also breite Abschnitte mit Platz für Tiere und Pflanzen. Einer davon bei Gaißau/Fußach, doch der Plan wurde bereits gestoppt, zu viele Grundeigentümer legten sich quer. Nun droht Koblach von Tritt- zum Stolperstein zu werden. Grundstücksnutzungsberechtigte haben sich mehrheitlich gegen die Aufweitung ausgesprochen. Dies hat allerdings nichts mit den Wiesen zu tun, wie sie im VN-Gespräch erklären.
90 von 122 dagegen
Koblach, in einem Haus, rund wenige Hundert Meter vom Rhein entfernt: Bernhard Heinzle, Norbert Bolter und Othmar Amann sitzen an einem Holztisch in der Küche. Vor ihnen liegen Notizen, Grafiken, Zeitungsausschnitte und Bilder, alles fein sortiert. Das Trio gehört zu jenen 524 Nutzungsberechtigten, die ihr Grundstück durch Rhesi verlieren würden. Vor einer Woche waren sie aufgerufen, darüber abzustimmen, ob sie für Rhesi Platz machen. Nur 122 nahmen an der Abstimmung teil, 90 davon stimmten dagegen. Heinzle stellt im VN-Gespräch klar: „Wir sind überhaupt nicht gegen das Rhesiprojekt. Nur gegen die unnötige Dimension in Koblach.“ Die Gegner fürchten sich vor allem vor Überschwemmungen durch das Projekt, das eigentlich eben solche verhindern sollte.
Norbert Bolter zählt mehrere Gründe für die Ablehnung auf: So müssten zumindest zwei Hektar Wald gefällt werden, Biotope und Radwege gingen verloren, ein Spiel- und Badeplatz ebenso. Und eben die Sache mit dem Wasser: Schließlich würde durch den veränderten Lauf Gefahr bestehen, dass sich Kies aufschwemmt, womit die Flusssohle und damit der Grundwasserspiegel steige. Schon jetzt kämpften viele Koblacher mit grundwasserverursachten Überschwemmungen.
Rhesi sieht in Koblach auch die Verlegung des Ehbachs vor. Ein Damm soll abgebaut und der Bachverlauf verändert werden. In diesem Bereich befinden sich die betroffenen Grundstücke. Für Bolter steht fest: „Der Damm wurde erst gerade saniert, so schlecht kann er gar nicht sein.“ Für den Notfall würden schon Schleusen im Ehbach reichen. Zudem sei der Teil des Rheins schon ökologisiert genug.
In Koblach breit genug
Einer der Zettel auf dem Tisch vor Bolter ist ein Artikel aus der schweizerischen Bauzeitung „Tec 21“ vom 28. Oktober 2016. Die Titelgeschichte widmet sich Rhesi. Darin schreibt der Autor: „Oberhalb von Mäder/Kriessern sind die Dämme auch für Überlastungsabflüsse bereits ausreichend hoch. Sie bleiben auch zukünftig nicht überströmbar. Zwischen Mäder und Diepoldsau liegt ein wenig besiedelter Bereich, der sich für Entlastungen anbietet.“ Für die Aktivisten steht damit fest: „Die Durchflussmenge kann in Koblach im bestehenden Bereich ausgebaut werden“, sagt Othmar Amann. Schon jetzt sei das Rheinbecken dort bis zu 330 Meter breit. „Und wenn mehr Wasser durchfließt, haben die Gemeinden im Unterland weiterhin das Problem.“ Bernhard Heinzle ergänzt: „Die Erweiterung muss eigentlich im unteren Bereich des Rheins stattfinden, nicht im oberen.“ Die Dammabweichung in Koblach sei weder ökologisch noch für die Hochwassersicherheit erforderlich.
500 Millionen Euro Kosten, 20 Jahre Bauzeit, noch nicht einmal begonnen – bis Rhesi ins Rheintal einzieht, wird noch viel Wasser den Rhein runtergeflossen sein.
„Die Erweiterung muss im unteren Bereich des Rheins stattfinden, nicht im oberen.“
