Nervenkitzel für die Bludenzerin Barbara Zangerl an der Eiger Nordwand

30-Jährige bewältigt erstmals durchgehend frei schwerste Freikletterroute.
Bludenz So, wie Barbara Zangerl selbst steilste Felswände bewältigt, kämen sogar Bergziegen ins Staunen. Die 30-jährige Bludenzerin mit dem krachledernen Tiroler Dialekt und ihr Partner, Jacopo Larcher (29), ein Profikletterer und Routensetzer aus Südtirol, haben in ihrer noch jungen Kletterkarriere schon viele alpinistische Meisterleistungen vollbracht. Dass sie es als erstes Team schafften, mit der „Odyssee“ die schwerste Freikletterroute an der Eiger Nordwand zu wiederholen und sogar erstmals durchgehend frei zu begehen, freut das Paar jedoch ganz besonders. Dabei machte die Route ihrem Namen alle Ehre. „Das Vorhaben glich tatsächlich einer Odyssee“, erzählt Barbara Zangerl.

Vier Tage in der Wand
Unter teils schwierigen Bedingungen verbrachten sie vier Tage in der Wand, nächtigten in einem kleinen Zelt auf schmalsten Felsvorsprüngen. „Letztendlich konnten wir uns mit dieser Begehung aber einen großen Traum erfüllen“, sagt die junge Frau, die sich noch über eine weitere Ehre freuen darf. Jüngst erhielt sie von „National Geographics“ einen Award verliehen. Damit zeichnete das renommierte Magazin die alpinistischen Taten von Zangerl der vergangenen fünf Jahre aus. Unter anderem hat sie als erste Frau den El Capitan im Yosemite Nationalpark in Colorado über die zweitschwierigste Route, dem „Magic Mushroom“, bezwungen. Elf Tage lang arbeiteten sich Barbara Zangerl und Jacopo Larcher akribisch Seillänge für Seillänge dem Ziel entgegen. Geklettert wurde vorwiegend in der Nacht. „Untertags war es oft zu heiß, da geht die Reibung verloren“, erklärt die am LKH Bludenz tätige Röntgenassistentin.

Barbara Zangerl ist in Bludenz geboren, jedoch in Tirol aufgewachsen. Bereits mit 14 zog es sie zum Bouldern. Mit der Zeit setzte das ständige Abspringen allerdings der Wirbelsäule zu. Bandscheibenvorfall mit nicht einmal 19 Jahren. Zangerl musste zwar das Bouldern für eine gewisse Zeit aufgeben, das Klettern ließ sie sich aber nicht nehmen. Sie begann mit der Seil- bzw. Sportkletterei. „Es war die beste Therapie für mich“, kann sie heute sagen. So wuchs sie immer mehr in die alpine Kletterei und damit in die Professionalität hinein. Ihren Job im Krankenhaus schraubte sie auf 30 Prozent zurück. Dank der kollegialen Unterstützung ließ sich das machen. Barbara Zangerl würde ihren Beruf ohnehin nicht aufgeben wollen. Sie schätzt ihn, auch als Ausgleich.

Nur Griffe und Tritte
Jacopo Larcher lernte sie bei einem Kletterwettkampf kennen. „Es hat gepasst“, sagt sie mit einem Funkeln in den Augen. Seitdem planen sie große Projekte gemeinsam. Neben den heimischen Bergen sind die beiden auch sehr oft in Amerika zugange. In Europa hatte es ihnen der Eiger (3970 m) angetan. Dort lockt eine der größten Nordwände der Alpen. Barbara und Jacopo tasteten sich langsam an das Abenteuer heran, gingen zuerst weniger anspruchsvolle Routen, ehe sie sich der „Odyssee“ stellten. „Am Eiger ist das Wetter eine große Herausforderung, weil es sehr schnell umschlagen kann“, merkt Zangerl an. Dazu galt es, 33 Seillängen von unten nach oben im freien Stil abzuarbeiten. Freiklettern heißt in diesem Fall, die Felswand nur mithilfe natürlicher Griffe und Tritte zu durchsteigen.

Angst ausblenden
Technische Hilfsmittel sind verpönt, Seil und Haken dienen lediglich der Absturzsicherung. Das erfordert neben körperlicher auch mentale Kraft. „Man muss im Kopf so stark werden, dass man die Angst ausblenden kann“, sagt Zangerl, hinter deren zierlicher Erscheinung ein unbändiger Wille auszumachen ist. Während der nassen Tage in der Eiger Nordwand habe sie einige Male ans Aufgeben gedacht, gesteht sie, doch die Aussicht, der Erfüllung eines Traums immer näher zu rücken, ließ das Paar durchhalten. Der Mühe folgte die Belohnung. „Es war ein cooles Erlebnis“, denkt Barbara Zangerl gerne daran zurück. Gleichzeitig seien beide froh gewesen, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. „Danach“, erzählt sie lächelnd, „freut man sich auf die normalsten Dinge, wie zum Beispiel eine warme Dusche und ein Bett.“ Lange kann sie das nicht mehr genießen. Schon im Mai geht es wieder zum El Capitan.
