Ruf nach Sexualerziehung durch außerschulische Experten

Große Teile der Lehrerschaft und Elternverband verlangen Rücknahme von parlamentarischem Entschließungsantrag.
Bregenz Der Verein Teenstar erregte vergangenes Jahr die Gemüter. Dessen Vertreter, die als externe Experten an Schulen Sexualpädagogik machten, wurden dafür kritisiert, ein erzkonservatives Weltbild mit religiös-fundamentalistischen Inhalten in ihre Aufklärungsarbeit einfließen zu lassen. Der Verein wurde letztlich aus den Schulen verbannt.
Am 12. Juni wurde im Nationalrat von ÖVP und FPÖ ein Entschließungsantrag eingebracht. Demnach soll in Zukunft “neutrale Sexualerziehung ohne Beiziehung von schulfremden Personen oder Vereinen durch an der Schule wirkende PädagogInnen” gewährleistet werden.
Witzemann fordert Externe
Dagegen formiert sich massiver Protest. Ganz klar gegen eine Übernahme der Sexualerziehung durch die Lehrer an der Schule sprechen sich große Teile der Lehrerschaft und der Elternverband aus. In einer Aussendung formuliert Personalvertreter Willi Witzemann: “Wie die jahrelange Erfahrung in Vorarlberg zeigt, haben zahlreiche Schulen erkannt, dass Workshops von externen sexualpädagogischen Vereinen eine wichtige Ergänzung zur Arbeit von LehrerInnen sind. Die KollegInnen spielen als langjährige Bezugs- und Ansprechpersonen eine wichtige Rolle in der sexuellen Bildung. Manche Fragen und Themen wollen SchülerInnen jedoch lieber nicht mit ihren LehrerInnen besprechen, und umgekehrt.”
Laut Witzemann hätten externe SexualpädagogInnen zudem den Vorteil, dass sie nur zeitlich begrenzt in die Klassen kommen und keine Noten geben. “Ein solches Setting ohne Beurteilung macht es für SchülerInnen leichter, tabuisierte Fragen zu stellen oder als unangenehm erlebte Erfahrungen zu besprechen.”
“Unverkrampfter Zugang”
In dieselbe Kerbe schlägt der Obmann des Elternverbandes, Michael Tagger (55): “Lehrer haben nicht die notwendige Ausbildung für diese Aufgabe, und auch nicht die Zeit”, lautet für den Elternvertreter eines der Argumente für die Ablehnung des Entschließungsantrags. Ein anderes: “Ältere Schüler haben Hemmungen, zum Thema Sexualität mit persönlichem Bezug Fragen an den eigenen Lehrer zu stellen. Das mag funktionieren, wenn der Schüler diesen Lehrer mag, aber sicher nicht, wenn er ihn nicht mag. Und das gibt es halt nun einmal.”
“Ältere Schüler haben Hemmungen, über Sexualität den Lehrer zu befragen.”
Michael Tagger, Elternvertreter
Tagger betont, dass diese Position im Elternverband eine große Mehrheit habe. Gerne spricht der Elternvertreter auch über seine persönlichen Erfahrungen als Vater von zwei Volksschülern, denen durch Experten ein unverkrampfter Zugang zum Thema ermöglicht wurde. “Ich glaube auch nicht, dass sich unabhängig von der weiteren Entwicklung für das kommende Schuljahr bereits etwas verändert.”
Geht der Antrag doch durch?
Sehr wohl für möglich hält das Wolfgang Türtscher (63), Lehrervertreter des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbundes (ÖAAB). Er outet sich als Unterstützer des vorliegenden Entschließungsantrags. “Der Antrag könnte sehr wohl noch im Juli erfolgreich durchs Parlament gehen.” Türtschers grundsätzliche Meinung zur Sexualerziehung: “Ich finde die emotionale Befassung der Volksschüler mit dem Thema für zu früh. Sexualkunde sollte in der Pubertät stattfinden. Man sollte es zudem den Schulen überlassen, ob sie die Sexualerziehung durch eigene Lehrer bewerkstelligen oder Experten beiziehen”, sagt der Lehrervertreter.