“Gallier” wehren sich gegen Abschiebung

Vorarlberg / 05.08.2019 • 18:48 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Levon und Satenik Misakyan mit ihren beiden Kindern Lena und Gayaneh mussten ihre Zelte in Röns abbrechen. VN/JLO
Levon und Satenik Misakyan mit ihren beiden Kindern Lena und Gayaneh mussten ihre Zelte in Röns abbrechen. VN/JLO

Familie aus Armenien musste ihr Zuhause in Röns infolge eines negativen Asylbescheids aufgeben.

Röns Rund 13.000 Menschen haben laut Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Vorjahr in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt – über die Hälfte davon erfolglos. In diese Gruppe fiel unlängst auch die bis vor Kurzem in Röns lebende Familie Misakyan. Nach zwei negativen Asylbescheiden hat sich die armenische Familie nun entschlossen, auf eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten und das Land zu verlassen. „Wir haben gesehen, was in Sulzberg passiert ist, und das kann ich meinen Kindern nicht antun“, so Familienvater Levon Misakyan (32).

Ehrenamtlich tätig

Vor fünf Jahren kamen sie, Levon mit seiner Frau Satenik (30) und Tochter Gayaneh (4), als politische Flüchtlinge nach Vorarlberg. „Ich bin Zahntechniker, meine Frau Kinderärztin“, berichtet der Familienvater und erzählt weiter: „Zuerst kamen wir nach Gaisbühel. Von dort aus habe ich gleich versucht, eine Arbeit zu finden.“ Das war allerdings nicht so einfach. Denn während der Asylantrag lief, durfte Levon Misakyan auch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Armenier suchte sich also eine ehrenamtliche Arbeit. Er war während der Verfahren bei Tischlein deck dich, im Sozialzentrum in Satteins und für kurze Zeit sogar in seinem erlernten Beruf als Zahntechniker tätig.

„Auch meine Frau hat sich nach einer geeigneten Stelle als Ärztin umgesehen, aber auch das half nicht“, weiß der Familienvater zu berichten. Um anfangen zu können, hätte Satenik Misakyan zuerst die Nostrifizierung und eine Deutschprüfung absolvieren müssen. „So früh konnte ich diese nicht machen“, bekräftigt die Mutter, die inzwischen gemeinsam mit ihrem Mann das Deutsch-B1-Niveau erreicht hat. „2017 kamen wird dann von Gaisbühel nach Röns, wo wir sofort herzlich aufgenommen wurden“, schwärmen die Armenier von ihren Mitbürgern. „Ich trat hier der freiwilligen Feuerwehr bei“, erzählt Levon Misakyan weiter. Aus Röns kommt auch die Taufpatin für das zweite Kind des Paares, Lena (2).

Zu wenig integriert

Im Dezember, kurz vor Weihnachten, kam dann aber der zweite negative Asylbescheid ins Haus. „Die Begründung war ähnlich dem ersten Bescheid. In Armenien seien wir sicher und wir seien hier zu wenig integriert“, sagt der 32-Jährige. „Dabei wollten wir doch arbeiten, wir haben alles gemacht, was man von uns verlangt hat, auch Deutsch können wir jetzt schon recht gut.“

Im Dorf wollte man die Abschiebung nicht so einfach hinnehmen. Noch während der Antrag in zweiter Instanz bearbeitet wurde, starteten die Bürger der Kleingemeinde eine Unterschriftenaktion, hier zuvorderst Reinold Amann, Birgit Knecht und die Feuerwehr. „Wir haben uns gedacht, dass wird da etwas unternehmen müssen“, betont Amann. In kurzer Zeit kamen knapp 300 Unterschriften zusammen, mehr als das Dorf Einwohner hat. Amann: „Diese haben wir dann Sicherheitslandesrat Christian Gantner übergeben.“ Auf Nachfrage beim für Integration zuständigen Landesrat wurde auch beteuert, das Bestmögliche getan zu haben. Grundsätzlich ist es in Vorarlberg seit 2014 nicht mehr möglich, humanitäre Aufenthaltstitel zu gewähren. „Es wurden aber mehrere Beratungsgespräche mit der Familie und Unterstützern geführt“, erklärt Gantner.

Glück und Zufall

Heute, fast ein halbes Jahr später, ist Röns auf jeden Fall um eine Familie ärmer. Die Misakyans sind inzwischen wieder in Armenien und versuchen nun wie angeraten, vor Ort eine Rückkehr in ihre neue Heimat Vorarlberg zu beantragen. In Röns ist die Verärgerung über den Weggang der Familie immer noch spürbar. „Wir sind wie das kleine gallische Dorf, das Widerstand leistet“, findet Reinhold Amann eine passende Metapher. „Meines Erachtens hängt bei solchen Verfahren viel vom Glück und Zufall ab“, schüttelt er den Kopf. Die Aktion habe aber zumindest gezeigt, dass es in der Bevölkerung ein großes Verständnis und einen starken Zusammenhalt gibt. VN-JLO

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