Vorarlbergerin flüchtete mit Familie aus der Coronahochburg Istanbul

Petra Holzer aus Dornbirn lebt seit 1998 in Istanbul. In der 16-Millionenstadt wütet die Pandemie derzeit besonders heftig.
Istanbul, Dornbirn Die Liebe verschlug die Vorarlbergerin Petra Holzer (50) in die Türkei. 1992 begleitete die Dornbirnerin im Zuge eines Jugendaustauschprogramms eine Gruppe von Jugendlichen aus Vorarlberg nach Izmir. Dort verliebte sich die Studentin der Publizistik und Theaterwissenschaften in einen türkischen Videokünstler und Dokumentarfilmer. „Ethem hielt für uns einen Videoworkshop ab.“ Zunächst blieb es bei einer Fernbeziehung. 1998 heiratete das Paar. Seither lebt Holzer, die vor zehn Jahren Mutter einer Tochter wurde, mit ihrem Mann Ethem Özgüven in Istanbul.
“Die Stadt ist seit 2003 ein aufgehender Stern, vor allem für junge Leute. Aus der ganzen Welt sind junge Leute, darunter viele Künstler und Journalisten, nach Istanbul gezogen”, zeigt Holzer auf, warum die 16-Millionen-Metropole am landschaftlich reizvollen Bosporus zu einer “jungen Kulturhauptstadt” und zum Treffpunkt vieler Kulturen wurde. Die Stadt sei aber auch ein Wirtschaftsmagnet. “Wer keine Arbeit findet, fährt nach Istanbul, um Arbeit zu finden.”
Istanbul – der Coronahotspot der Türkei
Laut Holzer bewegt sich jeden Morgen ein riesiger Strom von Menschen – sie spricht von Millionen – in die Stadt, sei es, um die Metropole zu besichtigen oder um hier zu arbeiten. Viele davon sind Tagelöhner. “Die müssen auch jetzt, während der Coronakrise, arbeiten, weil sie sonst nichts zu essen haben.” Von ihnen gehe eine Gefahr aus, weil sie das Virus weiterverbreiten und nur die besseren Schichten zuhause bleiben könnten.
Dass Istanbul der Coronahotspot der Türkei ist, es also hier besonders viele Infizierte, Kranke und Tote gibt, verwundert sie kein bisschen. “Das hängt vor allem mit der Bevölkerungsdichte zusammen. Die Türkei hat 80 Millionen Einwohner, rund 20 Millionen davon leben in Istanbul und Umgebung.” Das Virus befällt immer mehr Menschen in der Metropole. Ein Indiz dafür ist laut Holzer Folgendes: “Wir haben in der Stadt sehr viele Krankenhäuser, auch private. Letztere hat der Staat jetzt dazu verpflichtet, Coronapatienten kostenlos aufzunehmen und zu behandeln.”
Holzer selbst hat die Stadt mit ihrer Tochter und ihrem Mann am 7. März verlassen. Als die Schulen zugesperrt wurden, flüchtete die Familie vor dem Virus auf die Insel Bozcaada. Dort hat die Familie einen Zweitwohnsitz, ein kleines Haus mit Garten. Dort verbrachte das Ehepaar einst seine Flitterwochen. Und dort findet auch immer das Dokumentarfilmfestival statt, das die 50-Jährige seit Jahren ausrichtet. “Wir sind froh, dass wir hier sind.” Holzer möchte jetzt nicht in der Coronahochburg Istanbul sein. “Auf der Insel fühlen wir uns sicher. Bis jetzt gibt es hier noch keinen einzigen Coronafall.”
“Ich glaube, dass wir erst im Herbst nach Istanbul zurückkehren können.”
Petra Holzer, Auswanderin
Die Entscheidung, aus Istanbul zu flüchten, fiel Anfang März. “Dank dem offenen Radio waren wir immer bestens informiert über die Pandemie. Wir verfolgten den Ausbruch der Seuche in China mit. Auch das stark betroffene Italien war bei uns ein großes Thema.” Die Holzers malten sich aus, was passieren würde, wenn die Pandemie ihre Heimatstadt erreicht: ein hochansteckendes Virus und 20 Millionen Menschen auf engstem Raum. Das kann nicht gut ausgehen, dachten sie sich zu Recht.
Eine Freundin von Petra Holzer ist Immunologin. Sie arbeitet in einem Spital in Izmir. “Wir haben kürzlich telefoniert. Sie sagte mir, dass jeden Tag 15 Neu-Infizierte stationär aufgenommen werden müssen und die Krankenhäuser voll sind mit Coronapatienten.” Die Freundin gehe davon aus, dass bis Ende Juni keine Besserung in Sicht ist. Holzer und ihre Familie haben sich darauf eingestellt, dass sie erst im Herbst nach Istanbul zurückkehren können.
Petra Holzer
geboren 8. August 1969 in Dornbirn
Wohnort Istanbul
Beruf Festival-Organisatorin
Familie verheiratet, Tochter Talya (10)
Hobbys Lesen, Filme