Eine Frau an der Spitze der Muslime im Land

Elif Dagli ist Vorsitzende der islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ) in Vorarlberg.
Mäder Die religiöse Welt gilt als konservative Welt. Alte Wertvorstellungen herrschen vor, Rollenbilder halten sich hartnäckig, Männer haben das Sagen. Oder? In der islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ) in Vorarlberg trifft zumindest der letzte Punkt nicht mehr zu. Seit 15. Dezember steht zum ersten Mal eine Frau an der Spitze: Elif Dagli aus Mäder ist die neue Vorsitzende.
Generationenwechsel
Chefin der islamischen Glaubensgemeinschaft? Als Frau? “Ich als eine junge österreichische Muslimin und als Vorsitzende habe natürlich sowohl in meinem Bereich als auch im Alltag das Sagen”, betont die 28-jährige Religionslehrerin. Mit dem Generationenwechsel setze langsam ein Umdenken ein. “Zum Beispiel sind im Team der islamischen Religionsgemeinde in Vorarlberg Frauen und Männer gleichermaßen vertreten.”
Es sei die Aufgabe von Frauen, ihre Stimme zu erheben, sobald Rechte verletzt werden. “In dieser Hinsicht prangere ich aber nicht nur Männer an. Es gibt auch Frauen, die über mich pauschal urteilen, zum Beispiel aufgrund meines Kopftuchs”, fährt sie fort. Sie sieht die Gesellschaft aber auf einem guten Weg. “Ich bin überzeugt davon, dass traditionelle Sichtweisen den natürlichen Bedürfnissen der Menschen weichen müssen.”

Elif Dagli ist in Mäder aufgewachsen, sie wohnt noch immer dort. Nach dem Pflichtschulabschluss absolvierte sie die Handelsschule Lustenau und setzte die Matura mit dem Aufbaulehrgang der Handelsakademie drauf. Es folgte ein Bachelor-Abschluss in islamischer Religionspädagogik, bald kommt der Master-Abschluss dazu. “Mein Nebenfach ist Geschichte, da bin ich aber erst am Anfang”, erzählt die 28-Jährige.
Noch weiter studieren
Ihr Wissensdurst scheint noch länger nicht gestillt. “Ich würde gerne ein Doktoratsstudium abschließen. Und wenn ich mein Geschichtsstudium absolviert habe, möchte ich es als zweites Fach unterrichten.” Als IGGIÖ-Chefin hat sie viel zu tun. Sie ist Ansprechperson in religiösen Belangen sowie Schnittstelle zur Landesregierung, zu Behörden, zivilen Einrichtungen, anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften. Elif Dagli koordiniert und vernetzt die einzelnen muslimischen Gemeinden, ist für die Organisation und Verwaltung von religiösen Einrichtungen verantwortlich, zum Beispiel den islamischen Friedhof, und dort auch für die Bestattungsriten.
Glaube gibt Stärke
Leiterin einer Religionsgemeinschaft, Religionslehrerin, Studentin, bleibt da noch Zeit für etwas anderes übrig? Ein bisschen, berichtet Elif Dagli. “Wenn ich hin und wieder mal eine zeitliche Lücke finde, gehe ich wandern, inlineskaten, Volleyball spielen oder ich bastle etwas. Lesen und Studieren sind sowieso fixer Bestandteil meines Alltags.” Zu dem gehört natürlich auch die Religion. “Sie ist mein Leben und meine Berufung. Mein Glaube gibt mir Stärke und Hoffnung”, erzählt die 28-Jährige. Sie betet täglich, Religion fördere sie und erziehe sie zu einem besseren Menschen. “Aus diesem Verständnis heraus achte ich auf meine Handlungen gegenüber Mitmenschen.” Zu den engsten Mitmenschen zählt ihre Familie, ihr Bruder und ihre Schwester sind 24 Jahre alt: Es sind Zwillinge.
Elif Dagli möchte Muslime in Vorarlberg erfolgreich vertreten und für sie da sein. Außerdem plant sie Projekte für Muslime und Nichtmuslime. Und vor allem möchte sie den Austausch fördern: für ein friedliches Miteinander von Muslimen und Nichtmuslimen, von Männern und Frauen. Für ein Miteinander in der Gesellschaft.
Elif Dagli
Vorsitzende der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ) Vorarlberg
Geboren 16. Juni 1991
Wohnort Mäder
Ausbildung Bachelorstudium islamische Religionspädagogin, HAK-Abschluss
Beruf Religionslehrerin, derzeit Masterstudium
Familie ledig, zwei Geschwister
Hobbys Wandern, Volleyball, Inlineskaten, Basteln