Mensch in Vorarlberg der größte Artenbedroher

Vorarlberg / 17.07.2020 • 08:00 Uhr
Mensch in Vorarlberg der größte Artenbedroher
Igel haben es zusehends schwerer. Der schrumpfende Lebensraum macht ihnen zu schaffen, seit einigen Jahren auch Mähroboter. WTF

Der Inatura-Chefbiologe Klaus Zimmermann analysiert die Wildtierwelt des Landes.

Dornbirn Akut vom Aussterben bedroht sieht Klaus Zimmermann (60), wissenschaftlicher Berater der Inatura, zwar keine der jetzt in Vorarlberg lebenden Tierarten, sehr wohl aber bedroht. Am stärksten unter Druck sind Reptilien und Amphibien, denen der Verlust ihrer natürlichen Umgebung mehr und mehr zum Verhängnis wird.

Von den Großsäugetieren geht es keinem so wie etwa Nashorn oder Elefant in bestimmten Teilen dieser Erde. Sehr wohl setzt ihnen die zunehmende Beschränkung ihres Sieldungsraums zu. Dabei gibt es auch positive Nachrichten. “Der Steinbock etwa”, führt Zimmermann an, “war bei uns bereits ausgestorben, hat sich nun aber wieder etabliert.”

Igel und die Mähroboter

Es ist dies eine der wenigen Errungenschaften des Menschen, der ansonsten der größte Feind von vielem ist, was kreucht und fleucht. Unter Druck sieht Zimmermann zum Beispiel den beliebten Igel, dem der Rückgang von Gärten und offenen Landeschaften, einhergehend mit steigendem Verkehr, zusehends zu schaffen macht. “Und dann sind da die Mähroboter, die viele Menschen in der Nacht aktvieren, die auch die Zeit der Igel ist. Durch diese Maschinen werden viele Igel fürchterlich verletzt und getötet”, weiß der Biologe.

Dass Vögel zu den Verlierern des Ausbaus von Siedlungen und Verkehrswegen zählen, ist bekannt. “Wiesenbrüter wie Brachvogel oder Kiebitz verlieren Brutplätze, und auch andere Vogelarten gehen zurück.” So gesehen wundert es Zimmermann, dass sich eine Vogelart wie die Amsel auch in den Siedlungsgebieten noch so gut behauptet. “Obwohl sie als Küken leicht gefressen werden kann, sobald sie sich aus dem Nest wagt.” Unter anderem geschehe das durch die vielen Hauskatzen, die sich Menschen in besiedeltem Gebiet halten und die nicht nur Feinde der Vögel sind.

Früher entdeckte man sie noch oft, jetzt sind sie in freier Natur ein seltener Anblick geworden: Blindschleichen. Sie werden unter anderm von Hauskatzen bedroht. <span class="copyright">dpa</span>
Früher entdeckte man sie noch oft, jetzt sind sie in freier Natur ein seltener Anblick geworden: Blindschleichen. Sie werden unter anderm von Hauskatzen bedroht. dpa

Gefahr durch Hauskatzen

Hauskatzen tragen laut Zimmermann auch ihren Teil dazu bei, dass es vor allem den Reptilien und Amphibien im Land immer schlechter geht. Eidechsen, Ringelnattern, Kreuzottern, Schling- bzw. Glattnattern oder Blindschleichen kämpfen ums Überleben. Katzen haben es vor allem auf Blindschleichen abgeshen. “Blindschleichen sind Katzen wehrlos ausgeliefert. Ringelnattern hingegen sind ihnen zu groß, zu schnell und zu wehrhaft”, sagt Zimmermann. Natürlich ist es nicht nur die “böse” Katze, welche die Existenz dieser Tiere bedroht. Das Zurückdrängen natürlicher Lebensräume oder die Intensivierung der Landwirtschaft sind noch viel gravierendere Ursachen für die Gefährdung dieser Tierarten. Beispiel Kröten und Frösche: Da immer mehr Tümpel verschwinden, fehlen diesen die Lebensgrundlagen. Oder es sind andere menschliche Maßnahmen, die Kröten und Fröschen den Garaus machen. “Das Storchenprojekt mit der starken Vermehrung der Störche ist eine starke Bedrohung für Frösche. Für Störche sind sie wahre Delikatessen”, argumentiert der Experte.

“Wenn immer mehr Tümpel verschwinden, fehlt Fröschen die Lebensgrundlage.”

Klaus Zimmermann, Biologe
Frösche brauchen Tümpel und Wasserlacken. Davon gibt es immer weniger. Eine Delikatesse sind sie für die vielen Störche im Land. <span class="copyright">VN/Bühler</span>
Frösche brauchen Tümpel und Wasserlacken. Davon gibt es immer weniger. Eine Delikatesse sind sie für die vielen Störche im Land. VN/Bühler

Alles hat Folgen

Dass auch Insekten immer weniger werden, will Zimmermann nicht dementieren. “Aber das trifft nicht überall zu. Wie Vogelexperte Alwin Schönenberger richtig beobachtet hat, gibt es Riedlandschaften mit genügend Insekten”, betont Zimmermann. Offensichtlich sei, dass Wildbienen immer weniger Brutplätze finden, Sandbienen lässt man in den Gärten vielfach nicht mehr ihre kleinen Sandbehausungen zu und bestimmte Schmetterlingsarten sind stark bedroht, weil sie nicht mehr ihre speziellen Fresspflanzen vorfinden, die wegen des Klimawandels verschwinden. Für Zimmermann zeigt sich immer wieder: “Jedes Phänomen und jeder menschliche Eingriff hat Folgen. Ob das zum Beispiel ein Storchenprojekt oder großangelegte Wildfütterungen sind: Stets ist ein natürlicher Kreislauf betroffen, und das bleibt nicht ohne Auswirkungen.”