Corona könnte zum Beziehungskiller werden

Vorarlberg / 23.07.2020 • 10:00 Uhr
Corona könnte zum Beziehungskiller werden
Bei Rainbows finden Scheidungskinder vertrauensvolle Ansprechpartner. RAINBOWS

SOS-Kinderdorf verzeichnete steigende Nachfrage nach Hilfe für Kinder in Trennungssituationen.

Bregenz Noch sind es nur Vermutungen, doch die steigende Nachfrage nach Hilfe unterstreicht, dass tatsächlich mehr daraus werden könnte, denn die Coronakrise hat vielen Beziehungen stark zugesetzt. Schon jetzt gehen Experten von einer höheren Trennungsrate als noch in den vergangenen Jahren aus. Kinder tragen an einer solchen Situation doppelt schwer. In Vorarlberg waren seit Veröffentlichung der letzten Scheidungsstatistik mehr als 600 Kinder von einer Trennung ihrer Eltern betroffen, österreichweit waren es fast 13.000 Kinder. Das SOS-Kinderdorf bietet im Rahmen der Rainbows-Gruppen professionelle Begleitung für Kinder und Jugendliche. In Vorarlberg gibt es dieses Angebot seit dem vergangenen Oktober. Landesleiterin Jacqueline Oberauer bestätigt die Einschätzung: „Es gibt deutlich mehr Anfragen für den Herbst.“

Geschützter Rahmen

Bislang wurden drei Gruppen betreut. Eine ist fertig, die anderen beiden befinden sich in der Endphase. Während der Coronakrise herrschte Stillstand. „In den Gruppen können Kinder ihren Gefühlen freien Lauf lassen, über ihre Ängste, Trauer und Unsicherheit offen reden“, erklärt die Sozial- und Integrationspädagogin. Was sie erzählen, bleibt dort, wo sie es erzählen. „Auch die Eltern erfahren nichts davon, außer, die Kinder wollen es“, sagt Jacqueline Oberauer. Der geschützte Rahmen soll die nötige Sicherheit vermitteln. Eine Gruppe besteht meist aus vier bis sechs Teilnehmern. Größere Gruppen werden von zwei Fachpersonen geleitet. Das Alter der Kinder, die derzeit betreut werden, liegt zwischen fünf und zehn Jahren.

Familien unter Druck

Die Begleitung umfasst zwölf wöchentliche Gruppentreffen und drei begleitende Elterngespräche. Strittiges, etwa eine unklare Besuchsregelung, kommt dabei jedoch nicht auf den Tisch. „Es geht nur um das, was das Kind braucht“, betont Oberauer, und sie attestiert den Eltern diesbezüglich großes Bemühen. Dennoch bleibt es für Kinder schwierig. Das zeigen auch die aktuellen Zahlen der vom SOS-Kinderdorf betriebenen Notrufnummer „Rat auf Draht“ (147). Im Vergleichszeitraum zum Vorjahr gab es bei den Anrufen einen Anstieg von 63 Prozent zum Thema Scheidung. Von Mitte März bis Ende Mai 2020 gab es rund 170 Anrufe zum Thema Konflikt zwischen Eltern. Das waren fast gleich viele Anrufe zu diesem Bereich wie im gesamten Jahr 2019. „Die erhöhte Nachfrage bei Rainbows und Rat auf Draht bestätigt, dass Familien derzeit ganz besonders unter Druck stehen“, fürchtet auch SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Christian Moser, dass die Krise noch länger nicht ausgestanden ist.

Weitere Infos: SOS Kinderdorf Vorarlberg, Bregenz, Arlbergstraße 119, Tel. 05574/90606, ww.rainbows.at

Fakten 2019

2103 Beratungen wegen Konflikten mit den Eltern

169 Beratungen wegen Konflikten zwischen den Eltern

141 Beratungen wegen Scheidung der Eltern

Zahlen für den Zeitraum 16. März bis 31. Mai 2020

789 Beratungen wegen Konflikten mit den Eltern (+ 92 Prozent)

171 Beratungen wegen Konflikten zwischen Eltern (+ 328 Prozent)

44 Beratungen wegen Scheidung der Eltern (+ 63 Prozent)