Wunsch und Wirklichkeit
Der Virus hat einen Berufsstand auf die Weltbühne gezerrt, der bislang wenig Beachtung fand. Kunststück, wer Feierabends lieber ins Mikroskop als tief ins Glas schaut, hat in der gesellschaftlichen Wahrnehmung schon verloren.
Aber seit Mitte März erleben Virologen schmerzhaft, was ein prominentes Leben so alles zu bieten hat: Stehen im Scheinwerferlicht, müssen zu jeder Tages- und Nachtzeit adrett gekleidet komplexeste Sachverhalte in einfache Worte kleiden, brauchen dabei diese gedeihliche Balance zwischen Zuversicht und erhobenem Zeigefinger, denn das Publikum ist überreizt. Kurz – sie sollten wie Politiker in Krisenzeiten als Eier-, Milchgebende Wollmilchsäue alles auf die Reihe kriegen.
Und etwas wissen, das sollten sie überhaupt. Wann das verflixte Gegenmittel dem Spuk ein Ende macht, zum Beispiel. Ob Urlaube bald wieder nach Urlaub schmecken werden statt nach Ausnahmezustand. Die Partytiger fordern Antworten, und die leise Verängstigten wünschten sich das auch. Alle sind daran gewöhnt, dass es für jedes Problem Experten gibt. Und jetzt stehen da plötzlich diese sonderbaren Dompteure, deren Mikroben-Zirkus die hohen Erwartungen nach Instant-Lösungen einfach nicht erfüllen will.
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