Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Demokratische Zumutung

Vorarlberg / 03.09.2020 • 22:32 Uhr

Übernächsten Sonntag, am 13. September, werden die eigentlich für März dieses Jahres vorgesehenen Wahlen der Gemeindevertretungen Vorarlbergs und der Bürgermeister endlich abgehalten. Es ist anzunehmen, dass sie nicht abermals verschoben werden, auch wenn es am Wahlsonntag wahrscheinlich wesentlich mehr vom Corona-Virus infizierte Personen in Vorarlberg geben wird, als im März.

Vermutlich werden etwas mehr Leute als bisher im Interesse ihrer Gesundheit von ihrem Wahlrecht per Brief Gebrauch machen. Viele werden jedoch überhaupt zu Hause bleiben. Auch bei manchen Mitgliedern der Wahlkommissionen wird ein ungutes Gefühl zurückbleiben.

Ein Blick nach Liechtenstein, wo am vergangenen Sonntag über verschiedene Vorlagen abgestimmt wurde, zeigt, dass es auch anders ginge. Dort nutzen etwa 95 % die bequeme Briefwahl. Das herkömmliche Wahllokal braucht man dort schon fast nicht mehr. Solche Wahlen sind auch wesentlich ungefährlicher als die bei uns noch immer vorherrschende Urnenwahl.

Die Möglichkeit der Briefwahl wird bei uns viel seltener wahrgenommen. Das liegt einerseits daran, dass viele Menschen, gerade auch nach den Vorkommnissen rund um die Bundespräsidentenwahl, diesem Instrument misstrauen. Vor allem hat dazu beigetragen, dass die Briefwahl jahrzehntelang, obwohl sie in unseren Nachbarländern bestens funktionierte, als unsicher und missbrauchsanfällig verteufelt wurde.

Die angeblich so elegante und schöne Bundesverfassung verlangt die Angabe von Gründen (gesundheitliche Gründe und Ortsabwesenheit), wenn jemand sein Wahlrecht per Brief ausüben will, was in Corona-Zeiten geradezu absurd ist.

Das Virus ist eine demokratische Zumutung, hat die deutsche Bundeskanzlerin gesagt. Eine solche Zumutung ist auch, was Österreich aus dem Recht auf Briefwahl macht. Anstatt diese sowohl für die Wähler als auch die Mitglieder der Wahlkommissionen ungefährlichste Form der Stimmabgabe zu fördern, wird sie verbürokratisiert. Wie in vielen anderen Fällen hat das Land Vorarlberg nicht die Kompetenzen, bürgerfreundlicher zu sein, als es die Bundesverfassung zulässt.

Vermutlich wird bei den Gemeindewahlen die Wahlbeteiligung sinken. Profitieren dürften jene Parteien, deren Wähler eher geneigt sind, von der Briefwahl Gebrauch machen.

„Das Virus ist eine demokratische Zumutung, hat die deutsche Bundeskanzlerin gesagt.“

Peter Bussjäger

peter.bussjaeger@vn.at

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.