Mit politischem Eiltempo gegen Raser

Vorarlberg / 18.09.2020 • 19:30 Uhr
Mit politischem Eiltempo gegen Raser
Temposünder sind nicht nur ins Visier des Polizeiradars, sondern auch verstärkt in jenes der Verkehrsministerin geraten. SYMBOL/VN/HARTINGER

Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) will mit strengeren Strafen Temposünder einbremsen.

Schwarzach, Wien Allein in Vorarlberg sind laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) seit Beginn des Jahres sechs Menschen durch Unfälle wegen Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Nachdem bereits mehrere österreichische Bundesländer höhere Strafen für Raser gefordert hatten, kündigte Verkehrsministerin Leonore Gewessler am Donnerstagabend ein Maßnahmenpaket an (die VN berichteten).

Fahrzeugbeschlagnahme

Vorgesehen ist unter anderem eine Erhöhung des Strafrahmens von 2180 auf 5000 Euro. Auch die Grenzwerte für Führerscheinabnahmen sollen gesenkt werden. Rasen soll zudem als Vormerkdelikt eingeführt werden, und zwar für Tempoüberschreitungen von zehn km/h unter der jeweiligen Schwelle zum Führerscheinentzug. In besonders gefährlichen Fällen ist auch geplant, dass Fahrzeuge beschlagnahmt werden.

Statements aus Vorarlberg

Martin Pfanner vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) Vorarlberg begrüßt gegenüber den VN die geplanten Verkehrssicherheitsmaßnahmen der Ministerin: „Exzessive Geschwindigkeitsübertretungen stellen eine sehr große Gefahr im Straßenverkehr dar. Die Maßnahmen kommen darüber hinaus zur richtigen Zeit, Handlungsbedarf ist gegeben. Raserei findet in Vorarlberg nicht nur auf der Autobahn statt, sondern in letzter Zeit vermehrt auch innerorts bei Geschwindigkeitsbeschränkungen von 50 oder gar 30 km/h.  Allein im Jahr 2020 starben bisher sechs Menschen in Vorarlberg aufgrund überhöhter Geschwindigkeit. Sie stellt bei tödlichen Unfällen mit Abstand die häufigste Unfallursache dar.“

Und was sagt die Polizei zum Thema? Rainer Fitz, Sprecher der Landespolizeidirektion Vorarlberg, zu den VN: „Die Polizei unterstützt alle Vorschläge und Maßnahmen, die dazu dienen, die Unfallzahlen auf Vorarlbergs Straßen zu senken und dadurch beitragen, die Zahl an verletzten oder getöteten Verkehrsteilnehmern zu verringern.“

Etwas überrascht zeigt sich der Mobilitätsclub ÖAMTC vom umfangreichen Ideen-Katalog bezüglich Änderungen bei Sanktionen nach Tempoüberschreitungen, der von der Verkehrsministerin kommuniziert wurde. Die darin enthaltenen Kernpunkte sind wie gesagt: Extreme Geschwindigkeitsüberschreitungen sowie illegale Autorennen sollen schärfer bestraft werden als bisher, aber auch deutlich geringere Tempoüberschreitungen sollen sich auf den Führerschein auswirken. Dementsprechend wurde etwa die Absicht geäußert, Kurzzeitentziehungen zu verlängern und Geschwindigkeitsüberschreitungen ins Vormerksystem aufzunehmen. “Die Themen Tempoüberschreitung, Rasen und Unfallursache ‘nicht angepasste Geschwindigkeit’ bedeuten nicht immer das Selbe”, erklärt ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer.

Unzweifelhaft mache es schon Sinn, sich ernsthafte Maßnahmen gegen extreme Schnellfahrexzesse und illegale Autorennen zu überlegen. Derartige Vorschläge bis hin zur Schaffung neuer gerichtlicher Straftatbestände kann der ÖAMTC mittragen. Wenn aber dann etwa unter dem Titel ‘Raserei’ auch davon die Rede ist, dass schon bei Tempoüberschreitungen zwischen 20 und 30 km/h eine Vormerkung erfolgen soll, führt das wohl in der breiten Masse zum Eindruck, dass an manchen Stellen auch ein Abkassieren der Autofahrer beabsichtigt ist. “

„Stärkung der Bürgerrechte“

Oft seien temporäre Geschwindigkeitsbegrenzungen schlecht ausgeschildert oder Tempolimits für Fahrzeuglenker kaum nachvollziehbar und manchmal von den Behörden offensichtlich nicht ausschließlich aus dem Motiv der Verkehrssicherheit verhängt”, führt der ÖAMTC-Jurist aus. “Hier sollte man, vor allem weil der Bürger in die Verordnungen nicht Einsicht nehmen kann, eher über eine Stärkung der Bürgerrechte als über eine Verschärfung von Sanktionen diskutieren.” So sei etwa auch die mögliche Beschlagnahme eines Fahrzeuge nicht bloß ein verkehrsrechtliches Thema, sondern vielmehr auch eine verfassungsrechtliche Frage.