Wird die Ach zum Milchkaffee?

Vorarlberg / 31.10.2020 • 05:45 Uhr
Wird die Ach zum Milchkaffee?
Der Speicher Bolgenach soll ausgebaggert werden. VN/STEURER

Naturschutzanwältin warnt vor Baggerung beim Speicher Bolgenach. Alternativen gibt es aber kaum.

Hittisau Energieautonomie 2050 lautet das Ziel der Landespolitik. Der landeseigene Energieversorger, die Illwerke VKW, spielt dabei eine maßgebliche Rolle. Drei neue Kraftwerke sind geplant. Auch dort, wo schon Wasser gestaut wird, muss Geld fließen. Kraftwerke und deren Stauseen müssen saniert werden. Zum Beispiel der Speicher in Bolgenach. In diesem See hat sich mittlerweile so viel Schlamm angehäuft, dass die Kapazität abnimmt. Die Kraftwerksbetreiber möchten deshalb eine Baggeranlage installieren, die den Schlamm aushebt. Für den Abtransport sorgt das Wasser selbst. Laut Naturschutzanwältin Katharina Lins bedeutet das: Drei Monate im Jahr wird die Bregenzerach zur kaffeebraunen Brühe. Sie spricht von einer ökologischen Katastrophe. Die Illwerke VKW betonen in einer schriftlichen Stellungnahme: “Damit soll die weitere Nutzung zur regenerativen Energieerzeugung und die Schutzwirkung des Speichers in Bolgenach in Hochwassersituationen sichergestellt werden.”

Bolgenach ist vorbelastet

Anfang 1995 war die Aufregung groß. Im Speicher Bolgenach sollten 300.000 Kubikmeter Schlamm innerhalb von fünf Tagen abgelassen werden. Das Vorhaben ging schief. Eine braune Brühe schlängelte sich langsam in Richtung Bodensee, der Auslass verstopfte. 1998 wurde deshalb ein Schwimmbagger aufgebaut. Der Bagger schaffte es, die Verlandung zu bremsen, aber nicht zu stoppen. Mittlerweile warten rund 500.000 Kubikmeter Schlamm auf den Abtransport. Wie in Raggal soll eine spezielle Baggeranlage zum Einsatz kommen.

2019 hat der Kraftwerksbetreiber einen Antrag bei den beiden zuständigen Behörden gestellt (die VN berichteten). Das Ministerium ist für das Wasserrecht zuständig, die Bezirkshauptmannschaft (BH) für den Naturschutz. Kürzlich fand die Verhandlung statt. “Das ist eine komplexe Sache. Die Bregenzerachschlucht ist ein Natura-2000-Gebiet”, erläutert Rainer Honsig-Erlenburg von der BH. “Natürlich hat diese Baggerung in einem gewissen Rahmen Auswirkungen.” Die Frage laute: “Wie bewerte und quantifiziere ich diese?” Dass sich Sediment ablagert, sei normal. Wäre der Staudamm nicht da, würde es ganz natürlich die Bregenzerach hinuntertransportiert.

Wird die Ach zum Milchkaffee?

Sieben Jahre lang soll zwölf Wochen pro Jahr gebaggert werden. Anschließend verringert sich die Zeit jährlich um eine Woche, bis sie bei sieben Wochen anlangt. Das bleibt dann so. Naturschutzanwältin Lins warnt: “Das neue Konzept würde bedeuten, dass die Bregenzerach sieben Jahre lang von April bis Juni wie Milchkaffee aussieht.” Für sie steht fest: “Das ist eine ökologische Katastrophe. Mit der Trübung ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Fische sterben.”

Keine Alternativen

Die Illwerke VKW erläutern die Alternative: 14.000 Lkw-Fahrten pro Jahr sowie bis 2030 ein Deponiebedarf von 1,3 Millionen Kubikmetern. Auch die Naturschutzanwältin betont: “Dass es notwendig ist, ist unbestritten. Die Frage ist, wie man wenig Schaden anrichtet. Es ist schwierig, plausible Alternativen zu finden.” Ein Wunsch sei, nur bei Hochwasser zu baggern. Da sei das Wasser sowieso trüb. Außerdem könnte zur Kompensation mehr Wasser in die Nebenflüsse geleitet werden.

Das Verfahren läuft. Honsig-Erlenburg von der BH erläutert: “Jetzt geht es darum, die Projektunterlagen nachzuschärfen.” 31 Naturschutzorganisationen können sich am Verfahren beteiligen. “Die Einspruchsmöglichkeit könnte das Verfahren in die Länge ziehen”, fährt er fort. Bis eine Entscheidung steht, dürfte also noch viel Schlamm die Bolgenach hinunterfließen.