Der Attentäter war Teil eines Netzwerks

Vorarlberg / 05.11.2020 • 20:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Der Attentäter war Teil eines Netzwerks
Am Ort der Bluttat wurde der Opfer gedacht. APA

Mögliches Treffen des Wiener Terroristen mit Schweizer Verdächtigen in der Türkei.

Wien, Luzern, Schwarzach FBI, Europol, Geheimdienste aus den Nachbarstaaten: Nach dem Terroranschlag in Wien erhalten die österreichischen Behörden Hinweise von allen Seiten, bestätigt Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Die Polizei habe 15 Personen aus dem Umfeld des Attentäters festgenommen. Vier wurden bereits wegen terroristischer Straftaten, zwei wegen unterschiedlicher Gewaltdelikte und zwei wegen eines versuchten Ehrenmordes in Linz verurteilt.

Spuren in die Schweiz

Der 20-jährige Attentäter war nach Überzeugung der Ermittler Teil eines radikal-islamistischen Netzwerks, das über Österreich hinausreicht. Die Ermittlungsstränge führen bislang in zwei Länder. Eines davon wollte Nehammer nicht nennen, da die Erhebungen noch laufen. Es könnte sich aber um Deutschland handeln. Das andere Land ist die Schweiz. Die Schweizer Behörden haben am Dienstag einen 18-Jährigen und einen 24-Jährigen in Winterthur festgenommen. Die Verbindungen zwischen Winterthur und Wien sind eng (die VN berichteten). 2015 soll jene Person, die das Netzwerk in dem Schweizer Ort aufgebaut hat, innerhalb eines Jahres bis zu 1000 Mal mit Mirsad O. telefoniert haben. O. ist jener Dschihadist, der in Graz verurteilt wurde. Er gilt als religiöse Leitfigur der Gruppe in Winterthur. Der erste Syrienreisende aus Winterthur dürfte seine Reise 2013 über Wien organisiert haben, erläutert Johannes Saal, Experte von der Universität in Luzern.

Der 24-Jährige unter den beiden Festgenommenen ist bereits amtsbekannt. Er stand schon einmal vor Gericht. Er war an einer Aktion beteiligt, bei der ein Investigativjournalist in der An-Nur-Moschee in Winterthur mehrere Stunden festgehalten wurde. Die Moschee gibt es seit 2017 nicht mehr. Aber die Verbindung blieb.

Mögliches Treffen in der Türkei

„Die Indizien zeigen, dass die aktuelle Verbindung nach Wien auf die Verbindung mit Mirsad O. zurückzuführen ist“, erläutert Saal. Aber das sei noch nicht bestätigt. Klar ist: Die beiden Festgenommmenen und der spätere Attentäter Kujtim F. haben sich persönlich getroffen. Den Ort wollte das Innenministerium den VN mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht nennen. Laut Johannes Saal könnte das Treffen in der Türkei gewesen sein. „Einer der Festgenommenen hat bis vor Kurzem in der Türkei gelebt. Und der Attentäter war zeitweilig dort, als er ausreisen wollte.“ Das sei allerdings nur eine Vermutung. Der 24-jährige Schweizer ist Ende 2019 aus der Türkei abgeschoben worden.

Saal beschäftigt sich seit Jahren mit der Vernetzung von Dschihadisten in Mitteleuropa. Er verweist auch auf die Schweizer Stadt Arbon am Bodensee. Drei Männer aus Arbon sind nach Syrien in den Kampf gezogen. Auch sie wurden über die Aktion „Lies!“ und Winterthur radikalisiert.

Österreichs Ermittler blicken derzeit auch Richtung Osten. Im Juli wurde der Verfassungsschutz via Europol über einen gescheiterten Munitionskauf in der Slowakei informiert. Laut einem internen Dokument des slowakischen Innenministeriums hat die österreichische Polizei am 10. September darauf reagiert. Demnach wurde der Kaufinteressent als „wahrscheinlich“ Kujtim F. mitsamt seiner Vorstrafe identifiziert. Die Ermittler hätten die slowakischen Behörden daraufhin mehrfach um Auskunft gebeten, um die Identität zu sichern, sagt Franz Ruf, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit. Am 16. Oktober sei ein Schreiben aus der Slowakei eingelangt, bis zum Schluss aber nicht sicher gewesen, ob es einen versuchten Munitionskauf gegeben habe. Wäre dies der Fall gewesen, hätte die Bewährung des Attentäters zumindest geprüft werden müssen, teilte das Justizressort mit. Ein Untersuchungskommission soll die Umstände klären.

Text: Birgit Entner-Gerhold & Michael Prock

Der Attentäter war Teil eines Netzwerks
Die FPÖ veröffentlichte eine Mitteilung der slowakischen Kriminalagentur zum versuchten Munitionskauf.

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