Grenze dicht

Wer sich von Vorarlberg aus in den Osten Österreichs begeben will, erlebt einiges, das vor nicht allzu langer Zeit unvorstellbar gewesen wäre. An den Tiroler Grenzen und im Zug kontrolliert bewaffnete Militärpolizei das Reiseziel und ob die „Ausreise“ von Personen, die sich in Tirol aufgehalten haben, mit entsprechendem Testnachweis erfolgt. Der Einsatz der Militärpolizei mag die Bundespolizei entlasten, dennoch ist es kritisch, dass das Bundesheer Aufgaben übernimmt, die eigentlich Sache der zivilen Behörden wären. Soll den Bürgern der Ernst der Lage klargemacht werden?

Aber nicht nur innerösterreichische Grenzen werden aufgezogen, obwohl doch die Verfassung eigentlich bestimmt, dass innerhalb des Bundesgebietes keine Verkehrsbeschränkungen errichtet werden dürfen. Auch das deutsche Bundesland Bayern hat die Grenze dicht gemacht. Statt einen aktuellen Testnachweis zu verlangen, was angesichts der innerösterreichischen Maßnahmen natürlich sinnvoll ist, wurde der Grenzübertritt grundsätzlich untersagt. Nur Wirtschaftsgüter dürfen passieren, man will ja nicht die Lieferkette für die Autoindustrie gefährden. Selbst der Transit über das Deutsche Eck war verboten. Wenigstens wurde dieser feindselige Akt, der jeder rationalen Grundlage entbehrte, zurückgenommen.

Es bleiben die Erschwernisse für Berufspendler. Bayern will zynischerweise nur Grenzübergänge für Menschen in „systemrelevanten Berufen“ zulassen. Wer nicht „systemrelevant“ ist, darf darauf vertrauen, über kurz oder lang seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Das sind Maßnahmen, die in einem vereinten Europa eigentlich unvorstellbar sein müssten. Die EU erweist sich einmal mehr als zahnlos und handlungsunfähig. Es gibt keinen wirksamen Rechtsschutz gegen willkürliche Grenzschließungen. Damit sollte allen klar sein, wer in der EU nach wie vor bestimmend ist: die Nationalstaaten.

In der Vierländerregion Bodensee, die EU- und EWR-Grenzen überschreitet, sollten panikartige Abschottungen kein Programm sein. Gerechtfertigt sind Vorkehrungen, dass nur Personen ein- und ausreisen, die aktuelle Testnachweise mit sich führen. Die Region muss gerade jetzt ihre Zusammengehörigkeit beweisen.

„Nur Wirtschaftsgüter dürfen passieren, man will ja nicht die Lieferkette für die Autoindustrie gefährden.“