Gericht: Arzt riet öffentlich zur Corona-Selbstinfektion

Vorarlberg / 06.05.2021 • 16:00 Uhr
Gericht: Arzt riet öffentlich zur Corona-Selbstinfektion
Ein außergewöhnlicher Prozess, ein außergewöhnlicher Angeklagter: Ein Radiologe empfahl, sich im familiären Bereich mit Covid-19 zu infizieren. VN/SOHM

Vorarlberger Mediziner als Bestimmungstäter zur 63.000 Euro teilbedingter Geldstrafe verurteilt.

Feldkirch Sein Posting in den sozialen Medien platzte wie ein Bombe, rief auf der einen Seite Beifall, auf der anderen Seite harsche Kritik hervor: Am 5. September 2020 riet der 54-jährige Unterländer Facharzt für Radiologie auf diesem Wege zur Selbstinfizierung von Covid-19 innerhalb des Familienverbandes unter Einhaltung der Quarantäne. Der Zweck: Die Immunisierung möglichst vieler Leute vom Corona-Virus.

Die Vorarlberger Ärztekammer reagierte und leitete das Posting an die Staatsanwaltschaft Feldkirch weiter. Mit dem Ergebnis, dass gegen den Mediziner Anklage wegen des „Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten als Bestimmungstäter“ erhoben wurde.

„Nur eine Idee“

Als Angeklagter beim Prozess am Landesgericht Feldkirch ist die Haltung des Mediziners gegenüber diesem Vorwurf kurz und bündig: „Ich bekenne mich nicht schuldig.“ Zunächst sei dieses Posting in den sozialen Medien keineswegs als Aufruf, sondern nur als eine Idee gedacht gewesen. „Mein Rat war lediglich als eine Diskussionsvorlage gedacht. Es war meine Idee, die Leute zum Diskutieren über die Problematik zu bringen“, sagt der 54-Jährige vor Richterin Sabrina Tagwercher.

„Auf freiwilliger Basis“

„Ich war nicht einverstanden mit der Corona-Politik“, führt der Angeklagte weiter aus. „Ich habe nachgerechnet, mit welchen exorbitant hohen Summen und enormen finanziellem Schaden diese Politik verbunden ist.“ Im Übrigen sollten ja nicht alle Leute seinem wohlgemeinten Vorschlag, der auf seinem Studium zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten zum Thema Corona aus dem Ausland fundiere, folgen. Es gebe Ausnahmen und Einschränkungen. Etwa Personen, die dadurch vor einer Überlastung ihres gesundheitlichen Systems bedroht wären. Und überhaupt: „Alles sollte auf freiwilliger Basis und unter der Beachtung eines Restrisikos geschehen“, betont der Arzt.

Eine altbewährte Methode

Selbstinfektionen seien schon immer eine altbewährte Methode gewesen, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. Besonders bei jungen Menschen, behauptet der 54-Jährige und führt Beispiele an: „Bei einem unter 20-jährigen Menschen liegt die Chance des Restrisikos bei einer Corona-Infektion bei eins zu einer Million. Und bei einem 39-Jährigen bei eins zu hunderttausend.“

Damit konfrontiert, dass mittlerweile geimpft werde, entgegnet der Angeklagte: „Zur Zeit meines Postings gab es noch keine Impfungen. Und ich dachte auch nicht, dass sie so schnell kommen. Durch mein Posting sollte auf natürlichem Wege das erreicht werden, was nun die Impfung macht.“

Richterin Tagwercher fällt den Schuldspruch im Sinne der Anklage. Sie attestiert dem Arzt unter anderem eine Handlung, die dazu geeignet ist, eine Bedrohung der Gesundheit der Allgemeinheit zu riskieren. „Es handelt sich um ein abstraktes potentielles Gefährdungsdelikt“, drückt sie es juristisch aus. Der Angeklagte wird zu einer Geldstrafe in der Höhe von 63.000 Euro in 300 Tagesssätzen, zwei Drittel davon auf Bewährung, verurteilt. Er erbittet sich Bedenkzeit.