Dramen um geschüttelte Säuglinge gibt’s auch bei uns

Der Wiener Fall ist kein Einzelfall. Auch in Vorarlberg werden Kleinkinder durch Schütteln schwer verletzt.
Schwarzach, Feldkirch In Wien hat ein Mann einen Säugling so lange geschüttelt, dass das Kind schwerste Schäden davontrug und später im Krankenhaus verstarb. Der Mann und die Mutter des Babys wurden verhaftet. Die Mutter hatte die Tat beobachtet, aber nicht eingegriffen. Ein Drama, das ganz Österreich erschütterte.
Falsche Geschichten
Ein Einzelfall? Mitnichten! Auch wenn solche Vorfälle nicht an der Tagesordnung sind. Es gibt sie. Und es gibt sie auch in Vorarlberg.
“Drei bis vier Fälle von Kleinkindern mit schweren Verletzungen, die durch Misshandlungen hervorgerufen wurden, verzeichnen wir jährlich bei uns”, berichtet Dr. Burkhard Simma (64), Primar der Kinderstation am Landeskrankenhaus Feldkirch. Meistens erzählen die Eltern nicht die Wahrheit über den Grund der Verletzungen. “Sie tischen eine Geschichte auf, bei der wir dann feststellen müssen, dass sie nicht stimmt.” In solchen Fällen erstatten die Ärzte Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. “Wir fordern die Eltern dann auf, die Geschwister des verletzten Kindes ins Krankenhaus zu bringen”, beschreibt der Primar das Prozedere.
“Da werden Geschichten erzählt, von denen wir bald wissen, dass sie nicht stimmen können.”
Dr. Burkhard Simma, Primar Pädeatrie LKH Feldkirch
Simma hat Eltern aus allen sozialen Schichten erlebt, die Kleinkinder zum Teil lebensgefährlich misshandelten.
Lieber weglaufen
Kinder-und Jugendanwalt Michael Rauch vergisst einen erschütternden Fall nie: “Da hat ein Mann einen Säugling in Abwesenheit der Kindsmutter so schwer geschüttelt, dass dieser bleibende Schäden davontrug. Die Mutter, damalige Lebenspartnerin des Mannes, hat mich aufgesucht und wollte unbedingt eine Kampagne starten, dass so etwas nie wieder passiert.”
Rauch spricht von überforderten Erwachsenen, die irgendwann einer belastenden Situation mit einem Kleinkind nicht mehr gewachsen sind. Sein dringlicher Appell an überforderte Erwachsene. “Was immer geschieht, und wenn ein Kleinkind noch so schreit: Niemals das Kind schütteln. Lieber kurz davonlaufen und im schlimmsten Fall die Ambulanz anrufen.” Rauch berichtet von Statistiken, die besagen, dass 10 bis 20 Prozent von schwer geschüttelten Säuglingen sterben, viele tragen schwere Schäden davon. “Die Dunkelziffer der so misshandelten Kleinkinder liegt noch wesentlich höher”, erzählt der Kinderanwalt.
Viel Geld für Kinderschutz
So wie Rauch verweist auch Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (57) auf das dichte Netz an Hilfsstellen für überforderte Eltern von Kleinkindern. Unter dem Dach der “Frühen Hilfen” befindet sich u.a. eine Kinderschutzgruppe, die in Spitälern tätig ist und dort rund um die Geburt überforderte Eltern ausmacht und ihnen Unterstützung anbietet. Darüber hinaus gibt es das Netzwerk Familie sowie die IFS-Einrichtung “Frühstart” mit niederschwelligen Angeboten für Eltern, die sich den Herausforderungen nicht gewachsen sehen. “Wir haben seit dem tragischen Fall Cain vor über zehn Jahren sehr viel in die Prävention und den Kinderschutz investiert. Für all diese Maßnahmen inklusve der Connexia-Elternberatungsstellen waren es 3,1 Millionen Euro”, sagt Wiesflecker.