Impfthematik spaltet auch Familien und Paare

IfS-Familienberatung spricht von einem größer werdenden Problem.
Dornbirn Die Mutter ließ sich impfen und wollte gleiches für die beiden Kinder. Doch der Vater legte sich quer, auch, was die Kinder betraf. Der Konflikt blieb präsent und gärte weiter. Am Ende zog der Ehemann und Vater aus. Das ist keine fiktive Geschichte, sondern Realität. Die Impfung gegen das Coronavirus bzw. die angekündigte Impfpflicht spaltet sogar Familien und Paare. Bestätigt wird diese zunehmende Tendenz auch von Michael Thaler, dem Leiter der IfS-Familienberatung. „Es kommt zu Konflikten zwischen Paaren, Eltern, Kindern und Jugendlichen“, schildert er im VN-Gespräch. In den Beratungsstellen ist das Thema bereits im Spätherbst aufgetaucht. „Seitdem erhalte ich vom Team immer wieder Rückmeldungen, wonach das Impfen ein zunehmend brisanteres Problem wird“, erzählt Thaler.
Konzentration auf das Verbindende
Noch wird es zumeist erst im Zuge einer bestehenden Beratung angesprochen. Gleichzeitig rückt es als Anmeldegrund immer mehr in den Vordergrund. Anfänglich herrsche Akzeptanz darüber, dass sich einer impfen lässt und der andere nicht, berichtet Michael Thaler von eigenen Erfahrungen, aber: „Die Einschränkungen machen das gemeinsame Leben irgendwann zunehmend schwieriger“, erklärt er und ergänzt: „Wir merken das sehr stark auch bei den Jugendlichen.“ Besteht ein Elternteil darauf, dass sich Kinder nicht impfen lassen, weil er sich selbst nicht impfen lässt, ist der Konflikt bereits tief im Familiensystem drinnen. Ihn wieder herauszubringen, bezeichnet der Paar- und Familientherapeut als sehr schwierig.
Eine Impfempfehlung gibt es von den Beraterinnen und Beratern nicht. „Das gehört nicht zu unseren Aufgaben“, betont Michael Thaler, obwohl sehr oft die Frage kommt: „Was würden Sie machen?“ Stattdessen konzentrieren sich die Fachleute auf das noch vorhandene Verbindende. „Wir erleben oft, dass sich Paare oder Eltern in den Grundzügen einig sind, aber manchmal andere Zugänge haben. Da versuchen wir, das Gemeinsame herauszuarbeiten und ihnen zu vermitteln, dass unterschiedliche Meinungen bis zu einem gewissen Grad stehenbleiben dürfen.“ Der Leiter der ifs-Familienberatung rechnet allerdings damit, dass das Konfliktpotenzial mit der Impfpflicht steigen dürfte. Er hat aber schon eine klare Vorstellung: „Impfen oder nicht impfen, das sollen Paare bzw. Eltern mit Medizinern klären. Wir schauen, wie man Grundlagen für gute Lösungen schafft.“
Längere Wartezeiten
Das ist indes auch eine Frage der Ressourcen. Die Anmeldezahlen haben besonders in der Paarberatung heuer stark zugenommen, und da ist es die Scheidungsbegleitung, die die zwölf Mitarbeitenden im Team häufig beschäftigt. „Im ersten Lockdown haben Familien oft wieder zueinander gefunden“, erzählt Michael Thaler. Inzwischen hat sich der Wind gedreht. In der Beratungsstelle in Dornbirn gibt es Wartezeiten von drei bis vier Monaten. Klienten werden deshalb an andere Stellen im Land verwiesen, denn: „Warten in einer Krisensituation ist nie gut.“ Im Durchschnitt dauert eine Begleitung ein bis eineinhalb Jahre.