Was die Autoattacke auf Kollegen für die Polizei verändert hat

Herbert Rosinger und Gert Gröchenig müssen als Polizisten bei den Coronademos stets die Balance suchen.
Bregenz Der Bezirkspolizeikommandant Herbert Rosinger hätte nicht gedacht, dass er als bald 60-Jähriger mit 40 Jahren Berufserfahrung noch eine derartige Erweiterung seines Arbeitsspektrums erhält. Aber die nun täglichen Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen auf den Bregenzer Straßen sind genau das. Eine riesige Herausforderung für ihn und seine Kollegen.
“Wir streben nach der richtigen Balance im Umgang mit den Demonstranten. Verständnis auf der einen Seite, Sicherstellung der geltenden Regeln auf der anderen”, umreißt der christlich geprägte Beamte sein Credo.
Kollege und Sicherheitskoordinator Gert Gröchenig (53) nickt. Längst hat er sich schon schlau gemacht, welch Geistes bzw. Ungeistes Kind die Protestierer sind. Er kennt die verschiedenen Gruppen und glaubt auch zu wissen, wer sie beeinflusst. “Wir kennen die einschlägigen Medien und Plattformen, von denen viele der Demonstrierer ihr Weltbild formen ließen”, berichtet Gröchenig. So finden sich unter den Protestierern deklarierte Trumpfans, Anhänger der radikalen Verschwörungsgruppen QAnon oder “Don’t Tread on Me”.
“Wir versuchen, Verständnis zu zeigen. Aber wir müssen auch die Einhaltung der Regeln einfordern.”
Herbert Rosinger, Bezirkspolizeikommandant Bregenz
Geschärfte Wachsamkeit
Rosinger und Gröchenig haben dennoch nie aufgehört, das Menschliche in den Marschierern mit ihren zum Teil aggressiven Parolen zu suchen. “Es erzählen uns Teilnehmer ja auch ihre Geschichten. Ich höre mir sie geduldig an. Und ich weiß: Da sind viele darunter, die sich in ihrer Erregung herunterholen lassen, wenn man ihnen Verständnis entgegenbringt”, reflektiert Rosinger seine Erfahrungen.
Freilich ist es mit dem Verständnis vorbei, wenn Regeln ekletant gebrochen oder gefährliche Situationen mutwillig heraufbeschworen werden. Gröchenig räumt ein: “Der Vorfall mit der Autoattacke hat bei uns Spuren hinterlassen. Wir sind nicht emotionaler geworden, aber wachsamer. Du denkst dir nämlich immer: Das hätte auch mir passieren können.”
Enorme Belastung
Die Belastung der Beamten ist enorm. Für viele von ihnen ist es die härteste Schulung in puncto Unvoreingenommenheit und Verhältnismäßigkeit bei Amtshandlungen. “Wir sprechen sehr viel miteinander”, beschreibt Rosinger den Korpsgeist. Es komme vor, dass sich Kollegen einmal nicht wohlfühlen und eine bestimmte Aufgabe bei den Demos nicht ausführen möchten. “Dem Wunsch kommen wir dann auch nach. Wir fragen auch immer, wer sich für die Einsätze zur Verfügung stellen möchte. Das Teamwork klappt wirklich gut und lässt uns so diese Herausforderung meistern”, ist der Bezirkspolizeikommandant von seiner Truppe beeindruckt. Die Polizei als große Familie hat für die permanent mit Überstunden belasteten Beamten ein hohe Bedeutung. “Weil ihre eigene Familie derzeit oft zu kurz kommt”, weiß Rosinger.

Stimmung der Anrainer kippt
Einfacher wird die Situation für die Beamten nicht. Im Gegenteil. “Bei den Anrainern der von den Demonstranten beanspruchten Straßen kippt die Stimmung langsam. Es ist schon vorgekommen, dass die Teilnehmer von oben mit Wasser angeschüttet wurden”, erzählt Gröchenig. Er ist derjenige, der den Geschäfts-und Gastronomiebetreibern die Kunde von neu angesetzten Demonstrationen überbringen muss. Auch ist der Polizist zuständig für den Schutz von Ärzten und Mitarbeitern in den Impfstraßen, die immer wieder mit Drohungen konfrontiert sind.
“Bei den Anrainern ist die Stimmung am Kippen. Demonstranten wurden schon mit Wasser angeschüttet.”
Gert Gröchenig, Sicherheitskoordinator Polizei
Der fromme Wunsch von Gert Gröchenig und Herbert Rosinger ist mehr als nur nachvollziehbar. “Wir wären so froh, wenn das endlich vorbei wäre.”