Über Nacht vier Kinder mehr

Vitaly Markotenko holte seine Neffen und Nichten aus der Ukraine nach Vorarlberg. Deren Eltern blieben dort.
Götzis Vitaly Markotenko ist aufgewühlt. Seit Sonntag wohnen vier weitere Kinder zu seinen drei eigenen bei ihm in Götzis. Es sind zum einen zwei Kinder seines Bruders, zum anderen zwei der Schwester seiner Frau. Am Wochenende hat er sie an der Grenze im ungarischen Beregsurány abgeholt. Mittlerweile ist er mit seinen jeweils zwei Nichten und Neffen – sie sind neun bis 14 Jahre alt – sicher zurück in Vorarlberg.
Markotenko lebt mit seiner Frau Oleksandra seit 14 Jahren im Land, er arbeitet in Götzis als Ringertrainer und an der MS Herrenried als Sportlehrer. Die beiden haben drei Kinder. Über Nacht wurde am Montag aus der fünf-köpfigen eine neunköpfige Familie. In ihrer Wohnung in Götzis hätten sie dafür Platz genug, erzählt der gebürtige Ukrainer. Sie leben in einer Vier-Zimmer-Wohnung auf 90 Quadratmetern. Es gebe ein Zimmer für die Buben und eines für die Mädchen. Noch sei alles sehr frisch und die Behördengänge nicht abschließend beendet. „Ich hoffe aber, dass sie bald in die Schule gehen können und Unterstützung bekommen.“

Herzzerreißender Abschied
Die Kinder – Vitaly und Oleksandra Markotenko sind deren Taufpaten –blicken auf eine lange Reise zurück. Zwei von ihnen lebten in Kiew. „Sie brauchten 48 Stunden bis zur Grenze.“ Die anderen beiden starteten von Lemberg aus. „Für sie dauerte es zehn Stunden.“ Die Mamas haben ihre Söhne und Töchter zur Grenze gebracht. Das Rote Kreuz habe sie dort gut versorgt. „Dafür bin ich dankbar. Ich habe die Kinder dann genommen und bin wieder gefahren. Es war nur ganz wenig Zeit“, erzählt Markotenko. Das Treffen mit den Müttern und Loslassen sei herzzerreißend gewesen. „Es war einfach nur schrecklich.“
„Kalaschnikow in die Hand“
Die Eltern seiner Patenkinder befänden sich nun in Lemberg, etwa aufgrund der anstehenden Mobilisierung von Zivilpersonen: „Es wird den Leuten einfach eine Kalaschnikow in die Hand gedrückt und sie müssen eine Straße verteidigen.“ Seine Schwägerin arbeite zudem in einem militärischen Krankenhaus. „Dort liegen schon viele Verletzte.“ Die Medikamente würden knapp. „Ich versuche gerade mit verschiedensten Organisationen Kontakt aufzunehmen. Wir wollen helfen“, sagt der Ringertrainer.
Bis nach Kiew gäbe es derzeit kein Durchkommen mehr, ergänzt er. Dort leben die Eltern von Vitaly Markotenko. „Ich habe gerade heute mit ihnen telefoniert. Ihnen geht es gut. Sie sind vom Bunker wieder in einen normalen Raum gekommen.“ Kurzzeitig sei es auch ruhiger geworden in Kiew. Es bleibe aber verboten rauszugehen. „Auf der Straße ist es noch immer viel zu gefährlich.“