“Vielleicht sollte es jeden Monat einen Frauentag geben”

Weltfrauentag: Femail-Chefin Sarah Bard (34) spricht im VN-Interview über die Notwendigkeit des Tages und wie Männer den Kampf um Gleichberechtigung mitgestalten können.
Feldkirch Der Internationale Weltfrauentag entstand 1911 als Initiative sozialistischer Organisationen im Kampf um Gleichberechtigung und das Frauenwahlrecht. Femail-Chefin Sarah Bard stellt im VN-Interview klar, warum der Frauentag nach wie vor aktuell ist und warum Männer auf dem Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen.
Gleichberechtigung zwischen Männer und Frauen sollte selbstverständlich sein. Was bedeutet der Weltfrauentag heute noch?
Bard Es ist ein Tag, der genutzt werden kann, um für das Thema Gleichstellung von Frauen an die Öffentlichkeit zu gehen. Es ist aber auch eine symbolische Anerkennung für die vielen Menschen, die tagtäglich für eine gleichberechtigte Gesellschaft arbeiten. Natürlich fokussiert sich vieles auf den 8. März, vielleicht sollte es einmal pro Montag einen Weltfrauentag geben.
Sie rücken angesichts des Weltfrauentags die Solidarität unter Frauen in den Mittelpunkt. Wie ist es um diese bestellt?
Bard Wir beobachten derzeit einen Anstieg an Frauen, die selbstbewusst sind und für sich einstehen. Es wird für Frauen immer selbstverständlicher, miteinander solidarisch zu sein. Es ist auch Grundsatz vom femail seit über 25 Jahren, dass Frauen gestärkt werden, damit sie selbstbewusst für Gleichstellung einstehen können. Wir brauchen aber auch mehr mutige Männer, die anerkennen, dass in vielen Bereichen noch große Ungleichheit besteht und die sich ebenso gegen Diskriminierung einsetzen. Gerade auch deshalb, weil viele Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft männlich sind. Es treten einige Männer für Gleichstellung ein und erkennen bestehende Benachteiligungen für Frauen an. Dem müssen alle Männer folgen.

Welche konkreten Maßnahmen braucht es vonseiten der Politik?
Bard Auch wenn über die Quotenregelung immer wieder viel diskutiert wird, muss anerkannt werden, dass sie wirkt. Die 2017 eingeführte Regelung für Aufsichtsräte, die vorsieht, dass in börsennotierten Großunternehmen 30 Prozent des Aufsichtsrats weiblich sein müssen, hat Erfolge erzielt. Der Frauenanteil in diesen Unternehmen ist von 22,4 Prozent im Jahr 2018 auf 31,7 Prozent im Jahr 2020 gestiegen. Allerdings fällt nur ein kleiner Teil der Unternehmen in diese Regelung. Der Frauenanteil in nicht-quotenpflichtigen Unternehmen beträgt nur 15,4 Prozent. Natürlich sollte in Vorarlberg auch die Kinderbetreuung ausgeweitet werden. Eine Sensibilisierung für das Thema sollte außerdem in der Schule eine Rolle spielen. Mädchen und Jungen sollten Alternativen in der Berufswahl aufgezeigt werden, denn Frauen arbeiten überproportional in schlechter bezahlten Berufen, wie in der Pflege oder in der Gastronomie.
Nichtsdestotrotz hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in Sachen Gleichberechtigung viel getan. Womit hängt der Fortschritt zusammen?
Bard Dank couragierter Vorkämpferinnen wurde bereits viel erreicht. Es gibt heute weniger Hindernisse und mehr Möglichkeiten für Frauen, was Bildung und Beruf betrifft. Ich denke, dass Frauen in politischen Führungspositionen eine starke Vorbildfunktion haben. Eine Angela Merkel oder eine Ursula von der Leyen haben zum Beispiel eine große Außenwirkung, die motivierend sein kann. Es sind aber auch immer mehr Männer gerade in der Politik zu beobachten, die sich stark für die Gleichstellung einsetzen.

Ein vielgenanntes Vorurteil lautet, dass Frauen ja gar nicht in Führungspositionen wollen, weil sie andere Prioritäten im Leben hätten. Was sagen Sie dazu?
Bard Es ist für Frauen schwerer, sich in den Mittelpunkt zu stellen und Dinge zu fordern. Mädchen werden dazu erzogen, dass sie sich nicht in den Fokus stellen. Es fällt Frauen schwerer, sich zu Erfolgen zu bekennen, sie relativieren ihre Erfolge häufig. Es wird ihnen oft vermittelt, dass sie zufrieden sein sollen mit dem, was sie haben. Daher müssen sich Frauen weiterhin gegenseitig unterstützen und mehr Männer müssen die Gleichstellung von Frauen unterstützen und einfordern. Dann werden Frauen noch mutiger, mehr Verantwortung und Führung zu übernehmen. Immer mehr trauen sich das ja schon heute zu, was sehr erfreulich ist.
Zahlen zum Weltfrauentag
6 Bürgermeisterinnen gibt es in den 96 Vorarlberger Gemeinden.
83,8 Jahre betrug die Lebenserwartung von Frauen 2021. Bei Männern waren es 78,8 Prozent.
83,3 Prozent der Frauen und 28,4 Prozent der Männer in Österreich wenden täglich Zeit für Kochen bzw. Hausarbeit auf.
80 Prozent beträgt der Frauenanteil beim Betreuungs- und Pflegepersonal.
98 Prozent der Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld sind Frauen.
23,3 Prozent beträgt das geschlechterspezifische Verdienstgefälle bei ganzjährig Vollzeitbeschäftigten.
15,4 Prozent beträgt der Frauenanteil in Aufsichtsräten von nicht-quotenpflichtigen Unternehmen.
84 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten in Vorarlberg sind Frauen.
Die drei häufigsten Lehrberufe von Frauen sind Einzelhandel, Bürokauffrau und Friseurin.
30,0 Jahre beträgt das Durchschnittsalter der Frau bei der Geburt des ersten Kindes.