Hannes Androsch

Kommentar

Hannes Androsch

Weckruf durch Krisen

Vorarlberg / 26.03.2022 • 16:00 Uhr

Seit der Jahrtausendwende erleben wir eine Abfolge weltweiter Krisen: der Terroranschlag 9/11, die Kriege in Afghanistan und im Irak mit Folgen in Syrien und anderen Ländern. Parallel dazu hat Russland Überfalls- und Zerstörungskriege mit dem bisherigen Höhepunkt in der Ukraine geführt. Mit der Finanzkrise 2008 drohte das Weltfinanzsystem einzubrechen. Der bedrohliche Klimawandel wurde immer stärker. Während in der EU bei den Emissionen eine Verbesserung um 25 % eingetreten ist, hat sich Österreich diesbezüglich bisher deutlich verschlechtert. Aufgrund verschlechterter Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsdynamik haben wir deutlich an Standortattraktivität eingebüßt. Zunehmend laufen unsere öffentlichen Finanzen aus dem Ruder und wir sind eines der höchst verschuldeten Länder in Europa geworden. Inzwischen ist die globale Covid-19-Pandemie dazugekommen, der wir deutlich schlechter als viele andere Länder begegneten.

„Die Verteuerung von Wärme und Strom trifft die Einkommensschwächsten besonders hart.“

Der wirtschaftliche Einbruch war deutlich stärker ausgefallen und die wirtschaftliche Erholung signifikant langsamer eingetreten, obwohl wir deutlich mehr Mittel als etwa Deutschland oder die Schweiz, allerdings nach dem Gießkannenprinzip, aufgewendet haben. Zudem hat sich gezeigt, wie sehr es uns schon lange und immer mehr an einer vernünftigen Energiepolitik fehlt. Wir sind vom Import fossiler Energieträger, vorrangig aus Russland, und bei der Elektrizität mit über zehn Prozent von Atomstromimporten abhängig. Die Verteuerung von Wärme und Strom trifft die Einkommensschwächsten besonders hart und gefährdet wichtige Industriebetriebe, ohne dass zielgerichtet und budgetschonend vernünftige Maßnahmen gesetzt wurden. In dieser Situation trifft uns der Ukraine-Krieg besonders hart – wenngleich nicht vergleichbar zur Ukraine selbst. Klar geworden ist dabei, dass wir selbst nicht verteidigungsfähig sind. Dies gilt auch für die wirtschaftliche Landesverteidigung oder den Katastrophen- und Zivilschutz sowie die Cyberabwehr. Wir bekommen jetzt die Rechnung für die jahrelangen mutwilligen Blockaden und Verhinderungen präsentiert.

Was getan werden müsste, ist in vielen Vorschlägen längst festgehalten. Doch im politischen Tagesgeschehen der hohlen Ankündigungen und der eitlen Selbstdarstellung bei Verfolgung von Parteiinteressen wurden diese, insbesondere auch im Bereich von Bildung, Wissenschaft und Forschung ignoriert.
Umso mehr sollten uns die eingetretenen Folgen der Anhäufung von Krisen wachrütteln, um das längst Notwendige zu tun. Was wir brauchen ist endlich wieder eine Politik mit Perspektive, Gestaltungswillen, Mut und Tatkraft sowie Zusammenhalt und Solidarität, um die aufgehäuften Rückstände zu überwinden, die eingetretenen Schäden zu beseitigen, um wieder auch technologisch und innovativ Anschluss an die Spitze zu finden.

Dr. Hannes Androsch ist Finanz­minister i. R. und Unternehmer.