Samstags an der Tankstelle

So sorgfältig wie andere ihren Espresso aufschäumen rührt er das Putzmittel im Kübel auf, und alsbald verschwinden die Flanken seines Mittelklassewagens unter weißen, flauschigen Wölkchen. Samstags an der Tankstelle: Rotierende Bürsten verbreiten den scharfen Geruch unerbittlicher Reinigung, der große Staubsauger legt gegen Münzeinwurf den Geräuschteppich darunter. Wie in einer Hausbar hat ein untersetzter Herr mit schütterem Haarkranz Dosen und Fläschchen auf der Begrenzungsmauer aufgereiht. Vatertags-Geschenke? Seine grimmige Miene verkündet: Kein Fleck wird diesen Vormittag überleben.
Samstags an der Tankstelle rollen Urlauber heran. Schon von Weitem versuchen müde, neugierige Augenpaare den Benzinpreis zu entziffern. In gut eingespielten Teams säubern Beifahrer während des Tankvorgangs Scheinwerfer und Scheiben. In den meisten Fällen fläzen die Insassen im Wagen. Kinder quengeln, Musik plärrt. Auf der Rückbank eines Kleinwagens reckt ein Hund die Schnauze aus dem Fensterspalt.
Es ist zwar erst zehn, aber samstags an der Tankstelle sind sie schon früh zu Fuß oder auf klapprigen Rädern angereist, jene Frauen und Männer, die jetzt begierig Kaltgetränke schlürfen und das Weltgeschehen kommentieren. „Tanken“ trägt in ihrer Welt höchst persönliche Züge. Wann ein jeder zu diesem Stammtisch im Spritdunst der Zapfsäulen stieß – wer weiß? Samstags rostet – wie alle Tage auch ¬– ein Grill auf den Waschbetonplatten hinter der Tankstelle. Und man fragt sich, ob der Tod des Verbrennungsmotors eines Tages auch diese vielen, kleinen, sonderbaren Biotope meucheln wird.
Thomas Matt
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