Eugen, das Ried und Liebe auf den ersten Blick

90 und noch immer im Ried aktiv. Dazu noch frischgebackener Buchautor: Das ist Eugen Weißkopf
Lustenau Wenn Eugen Weißkopf über sein Riedstück ins Reden kommt, ist er in seiner Begeisterung nicht zu bremsen. „. . . und die Goldmelisse. Sie blüht alle zwei Tage, zwei Monate lang. Daraus mache ich einen hervorragenden Sirup. Schmeckt wunderbar. Leider sind mir die Himbeeren heuer weggefressen worden.“ Dass die Kartoffeln sein für die Abnehmer beliebtestes Gut darstellen und immer sofort weg sind, er für die Tomaten auf einen guten Tipp hin den idealen Standort schlechthin gefunden hat und einiges mehr: all das ist Eugen Weißkopf schon vorher losgeworden.
Die Rehe unter den Bäumen
Mit festen Schritten und aufrechter Körperhaltung stapft der gebürtige Tiroler durch sein 40 Ar großes Anwesen. Es ist sein Paradies. Im hinteren Teil, beim großen Nussbaum mit dem gemütlichen Hock im Schatten zeigt der rüstige Senior auf zwei dahinterliegende Bäume. „Da halten sich gerne Rehe auf“, sagt er leise und mit funkelnden Augen, so als seien diese jetzt wirklich da und er sie nicht erschrecken will.
Es gibt in der arbeitsintensiven Zeit keinen Tag, an dem der frühere Zöllner nicht in seinem Ried ist. „Es gibt ja immer was zu tun, und ich arbeite lieber fortlaufend, als auf einmal einen riesigen Berg Arbeit vorzufinden“, bekennt der 90-Jährige.
Der zweite Wohnort
Exakt vor 70 Jahren kam Eugen Weißkopf im zarten Alter von 20 als frisch ausgebildeter Zöllner ins Schmugglerdorf Lustenau. Bald fand er die Liebe seines Lebens, heiratete, wurde Vater von drei Kindern. Mit seiner liebenswürdigen Art schaffte er es selbst als Zöllner zu Anerkennung und Akzeptanz im Schmugglervolk.
Das Ried wurde bald zu seinem zweiten Wohnort. „Meine Frau hatte ein Stück Ried vererbt bekommen, ein Onkel von ihr nahm mich vor über 60 Jahren zum ersten Mal mit. Ich war vom Rieden sofort begeistert, der Onkel hat mir damals sehr viel beigebracht.“
Zumeist fährt Eugen Weißkopf mit seinem 46 Jahre alten Puch-Moped ins Ried, gelegentlich natürlich auch mit dem Auto – wenn das Wetter schlecht ist, oder er viele Dinge zu transportieren hat.
Freude und Vorfreude
Das Riedstück des Eugen Weißkopf steckt nicht nur voller hochwertiger Nahrungsmittel, sondern auch voller Geschichten und wunderschöner Erinnerungen. „Wir treffen uns hier als Familie, wir grillen, meine Enkel können hier spielen, wir festen. Es ist ein besonderer Ort.“
Der nimmermüde Senior denkt gar nicht daran, hier einmal nicht mehr zu arbeiten. „Beim Bücken tu’ ich mir nicht mehr so leicht. Aber sonst geht eigentlich alles noch wie immer. Natürlich bin ich froh, dass mir meine zwei Söhne, vor allem der Ältere, stets zur Hand gehen. Besonders beim Pflanzen und Ernten ist Zusammenarbeit gefragt“, sagt Weißkopf.
Stichwort Söhne: Gemeinsam mit seinem älteren Filius Günther hat Eugen eine Broschüre über die Geheimnisse der Riedarbeit, basierend auf seiner jahrzehntelangen Erfahrung, herausgebracht.
In die Freude darüber, dass heuer die Ernte ausgezeichneten Ertrag bringt, mischt sich bei Eugen Weißkopf bereits die Vorfreude auf das nächste Jahr. „Da werde ich wieder voll da sein“, gibt’s für den dann 91-Jährigen keinen Zweifel. VN-HK
