Wo nach dem Starkregen bis drei Uhr morgens aufgeräumt wurde

Vom Starkregen Betroffene aus Wolfurt schildern ihre Eindrücke.
Wolfurt „Es war brutal!“ Drei Worte reichen Stephan Jäger, um das Grauen zusammenzufassen, das der Starkregen am Freitag mit sich brachte. Das eigene Heim von Wassermassen bedroht, dann rief ihn seine Mutter Doris zu Hilfe, deren Haus neben dem Ippachbach steht. Verklausungen hatten dazu geführt, dass der Bach über die Ufer trat und den Keller füllte. Mit dem Wasser kam auch viel Schlamm. „Die Feuerwehr hat uns geraten, den Schlamm schnellstmöglich zu entfernen, damit er nicht hart wird“, erzählt Jäger. Hart wurde dafür die Nacht. Bis drei Uhr früh schaufelte er gemeinsam mit 15 Helfern den Dreck von Hand aus dem Keller. Auch am Sonntag waren sie noch, wie viel andere in Wolfurt auch, mit Aufräumarbeiten beschäftigt.
Spur der Verwüstung
Wir stehen am Bach. Das Wasser sprudelt munter unter dem Blätterdach heraus. Grad so, als ob es die Katastrophe nicht gegeben hätte. Nur noch der Haufen an geborstenen Bäumen, zur Seite geräumt von schwerem Gerät, zeugt davon. Stephan Jäger zeigt auf die andere Seite. „Das war einmal eine Grillstelle“, erklärt er. Viel ist nicht mehr davon übrig. Selbst die riesigen Steine, mit denen er eingefasst war, wurden weggespült wie Plastikwürfel. Jäger blickt eine Weile versonnen in das Gewässer, dann verabschiedet er sich. Sie wollen heute noch das Gröbste erledigen.

Eine Spur der Verwüstung hat der Ippachbach auch durch eine Siedlung an der Hauptstraße gezogen. Von außen ist, außer getrockneten Schlammspuren, nicht viel zu erkennen. Das ganze Ausmaß der Überschwemmung zeigt sich im Innenhof. Schlammbespritzte Fahrräder säumen die schmutzigen Wege und auf der Wiese türmen sich in Mitleidenschaft gezogene persönliche Dinge. Mahmut Cengiz wohnt seit 45 Jahren in Wolfurt, aber: „So etwas habe ich noch nicht erlebt. Es war heftig.“ Er spielt mit dem Handy aufgenommene Videos ab, die eindrücklich vermitteln, mit welcher Kraft das Wasser über Treppen und Lichtschächte in den Keller eindrang. Dort sind vier Mitarbeiter der Hausbetreuung Lukic seit Samstag mit Reinigungsarbeiten beschäftigt. „Sauber sind die Räume bald“, weiß Chef Lukiczeljko. Bis sie auch trocken sind, werde es aber sicher zwei Monate dauern.

Krisenstab in Wolfurt
Wolfurt zählt zu den Gemeinden, die vom Starkregen besonders heimgesucht wurden. Auch Bürgermeister Christian Natter steht immer noch im Bann des Ereignisses. Er habe schon einige Hochwässer erlebt, aber da habe meistens immer nur ein Bach für Probleme gesorgt. Diesmal brachen im wahrsten Sinne des Wortes beinahe alle Dämme. Schäden in geballter Form richtete nämlich auch der Eulentobelbach an. „In den vergangenen zehn Jahren haben wir viel für die Verbesserung des Hochwasserschutzes bei Bergflüssen gemacht“, sagt Natter und ergänzt: „Sonst wäre es wohl noch ärger gekommen.“ Die Rasanz, mit der der Starkregen über die Region hereingebrochen ist, verhinderte jedoch, dass schweres Gerät nicht so schnell zu den Einsatzorten gebracht werden konnte, wie es nötig gewesen wäre. Da müsse man sich für die Zukunft etwas überlegen. Schon heute, Montag, ruft Christian Natter den Krisenstab zusammen, um Sofortmaßnahmen zu sondieren, die das Überschwemmungsrisiko minimieren sollen.

Warnsystem fürs Smartphone
Allein in Wolfurt waren acht Feuerwehren aus der Umgebung im Einsatz. Der Gemeindechef bedankt sich bei allen, auch bei den Freiwilligen, die geholfen haben. „Die Solidarität ist beeindruckend.“ Sicherheitslandesrat Christian Gantner hebt ebenfalls die Bedeutung einer guten Infrastruktur hervor und betont die Wichtigkeit von örtlichen Feuerwehren. Jetzt gilt es allerdings erst einmal, die Schäden zu erheben. Gantner rechnet mit einer vorläufigen Bilanz bis Mitte Woche und sagt zusätzliche finanzielle Mittel aus dem Katastrophenfonds zu. Schon lange wäre es übrigens möglich, per automatischer Nachricht aufs Smartphone vor einem extremen Unwetter zu warnen. „Unsere Landeswarnzentrale macht diesbezüglich auch schon seit mehreren Jahren Druck beim Bund“, erklärt Gantner. Nun scheint es vorwärts zu gehen. Die Verordnung zum “Public Warning System” ist in die vierwöchige Begutachtung geschickt worden. Bis das neue Warnsystem in der Praxis funktioniert, dauert es freilich noch, denn die Mobilfunkbetreiber und die warnenden Stellen müssen erst ihre Infrastruktur dafür aufbauen. Angekündigt ist eine Inbetriebnahme für 2023.
