Von Langeweile bis Dramatik

Todesschuss von Wr. Neustadt beschäftigt auch Wachsoldaten und Offiziere in Vorarlberg.
Bregenz Alimler Batuhan schiebt am Eingang zur Bregenzer Bilgeri-Kaserne unaufgeregt seinen Dienst. Routiniert öffnet und schließt er das große Tor, wenn Militär- und Zivilfahrzeuge einfahren. Es ist gerade viel los. Angenehm für den jungen Präsenzdiener. Es pfeift ein kalter Wind vom See. Gern bewegt er sich da ein bisschen.
„Es ist echt schlimm, was da passiert ist. Natürlich muss ich immer daran denken. Wir vom Wachteam haben auch über diesen Vorfall geredet. Das tut gut.“
Keine Spekulationen
Auch Batijams Vorgesetzter, Oberstleutnant Markus Tschanun, macht sich so seine Gedanken. „Wir waren zuerst geschockt, als wir vom tödlichen Vorfall gehört haben. Und natürlich wollen wir alle wissen, was genau passiert ist.“ Presseoffizier Oberst Michael Kerschat sekundiert. „Es ist derzeit müßig zu spekulieren, warum dieser junge Soldat offensichtlich so außer Kontrolle geriet und es in Folge zum tödlichen Schuss kam“, äußert sich Kerschat und zuckt mit den Achseln.
Die beiden Offiziere wollen das Ereignis zumindest emotional nicht zu nahe an sich heranlassen.
Szenarien
Viel lieber erzählt der für die Wachsoldaten zuständige Markus Tschanun über seine „Buben“, wie er die Rekruten des Wachdiensts liebevoll nennt. „Sie sind jene, die die meiste Zeit mit einer geladenen Waffe zubringen. Ihre Aufgabe ist sehr verantwortungsvoll, auch wenn ein 24-Stunden-Dienst viel Leerlauf und Langeweile in sich birgt. Andererseits müssen sie für extreme Situationen vorbereitet sein, die jederzeit passieren können“, macht Tschanun deutlich.
Zu den schwierigsten Situationen gehören jene, in denen sie womöglich von der Schusswaffe Gebrauch machen müssen. „Was, wenn zum Beispiel ein Soldat durchdreht, auf den Wachmann losgeht und ihn mit einer zerbrochenen Flasche körperlich bedroht?“, skizziert der Offizier ein Szenario. „Dann muss er zum Beispiel Schussvorbereitungen treffen, einen Waffengebrauch ankündigen und im schlimmsten Fall auch durchführen.“ Solche Situationen würden auch immer wieder bei den regelmäßigen Besprechungen simuliert. Bisher sind derartige Ereignisse in der jahrzehntelangen Dienstzeit des Oberstleutnant noch nie vorgekommen. „Aber es kann eben das eine Mal passieren“, weiß Tschanun.
Psychologische Hilfe
Die „Buben“ vom Wachdienst werden von ihren Vorgesetzten gut auf ihre Aufgabe vorbereitet. „Sie kommen zumeist schon mit dem Wunsch hierher, bei der Wache zu arbeiten. Natürlich müssen sie dafür Voraussetzungen erfüllen: kein Alkohol- oder Drogenproblem haben, nie straffällig geworden und auch physisch für den Dienst geeignet sein“, nennt der Offizier einige Kriterien. Dazu kommt ein selbstbewusstes Auftreten mit einer guten Mischung von Höflichkeit und Bestimmtheit.
Die Wachsoldaten haben 24 Stunden Dienst und anschließend zwei Tage frei. „Diese fixen Einsatzzeiten mit den zwei freien Tagen machen den Dienst bei der Wache natürlich attraktiv“, weiß Tschanun.
Psychologische Hilfe erfahren die jungen Rekruten selbstverständlich auch. „Es gibt bei uns eine Hotline, bei der sich die Präsenzdiener auch anonym melden können. Wer die persönliche Unterstützung durch uns Vorgesetzte will, bekommt diese selbstverständlich ebenso.“ Nicht scheuen würde man sich in Bregenz aber andererseits, Rekruten mit für den Dienst abträglichen Handicaps sofort von ihrer Aufgabe entbinden.
„Es ist schlimm, was passierte. Wir Wachsoldaten haben natürlich darüber gesprochen.“

