Gerüche
Kennen Sie das auch? Sie betreten ein fremdes Haus und sind vom Geruch irritiert, sie wissen nicht, was es ist. Es ist der Hausgeruch, und der kann für jedes Haus anders sein. Was macht ihn aus? Wie ist er entstanden? Wie lässt er sich ändern? Ist er schlecht, weiß es jeder und sofort. Ist er gut, rätselt man, woher er kommt – von einer süßen Speise, einer feinen Seife, einer Blume. Von der Haut der Bewohner?
Mir ist immer daran gelegen, dass es in unserem Haus gut riecht. Kocht mein Mann ein Gericht mit Zwiebeln, backt er am nächsten Tag einen Kuchen, damit sich der Geruch wieder einpendelt. Aber es sind ja nicht nur die Kochgerüche, es gibt Tiere, nach denen ein Haus riecht, Hund und Katze, Hamster, alles mögliche Getier, das die Luft füllt. Wie kann man das aushalten? Lüften nützt nichts gegen einen Hausgeruch. Warum nicht?
„Die Erinnerung veredelt den Geruch und der Geruch die Erinnerung. “
Dann wieder ist es eine schimmlige Zitrone, die die Luft verpestet. Ah, der Abfalleimer! Ich leere jeden Tag unseren Abfalleimer. Einmal kam unser Sohn und sagte: „Bei euch riecht es nach Maus.“ Wir haben es selber gar nicht gemerkt. Hat unsere Katze eine Maus angeschleppt, die irgendwo verwest? Wir suchten, bis wir die tote Maus fanden. Wir desinfizieren. Putzen. Riecht es nach Putzmitteln, macht uns das auch keine Freude. Bohnerwachs riecht gut, hat in früher Erinnerung gut gerochen. Gibt es noch dieses Bohnerwachs?
War jemand auf Besuch? Es riecht nach einem speziellen Parfum, das wir nicht zuordnen können. Oder es stinkt nach Zigarettenrauch oder nach ungewaschenen Füßen oder nach Katzenklo. Wir haben doch gar kein Katzenklo! Wir haben eine Klappe für unsere Katze. Es riecht nach Tannennadeln, wenn Weihnachten naht. Oder – mein Gott! – ein Besucher hat es erst zu spät bemerkt, als er schon im Vorraum war, er ist in Hundescheiße getreten. Er sagt, er wird die Schuhe entsorgen. Er stopft sie in unseren Müllsack! Und wir? Sollen wir den Teppich auch entsorgen? Wir putzen, lüften, schrubben, lüften, zünden Räucherstäbchen an, schlussendlich landet der Teppich auf der Garageneinfahrt. In der Nacht transportieren wir ihn ab und werfen ihn zum Sondermüll der Gemeinde. Wenn ich als Schulkind unseren Wohnblock betrat, roch es nach Weichspüler. Manchmal gemischt mit Kohlsuppe.
Und dann kann es vorkommen, dass ein Mensch, der einem nahe ist, plötzlich fremd riecht. Er ist krank. Die Krankheit hat seinen Körpergeruch verändert. Er riecht nach Schule, nach Krankenhaus, nach Altersheim, dem ist nicht beizukommen. Nach Tod. Wenn es nur endlich nach gemähtem Gras riechen würde! Nach heißgerührter Marillenmarmelade! Nach frischen Kräutern! Nach Frühling und Sommer!
Unterschätzen Sie die Gerüche nicht! Ich meine, in Bezug auf den Sinn des Lebens. Sie erinnern sich an einen bestimmten Geruch aus ihrer Kindheit, wissen aber nicht mehr, was es war. Ein Deja-vu. Der Geruch ist mit einer wunderbaren Erinnerung verbunden. Die Erinnerung veredelt den Geruch und der Geruch die Erinnerung. Haarspray in der Frisur des Geliebten.
Monika Helfer
monika.helfer@vn.at
Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.
Kommentar