Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Wir können auch anders

Vorarlberg / 07.04.2023 • 06:30 Uhr

Journalismus erfüllt in einem modernen Staatswesen eine eminent wichtige demokratische Kontrollfunktion. Das wissen die Vertreterinnen und Vertreter dieses Berufszweiges auch und bezeichnen sich zuweilen stolz als die „vierte Gewalt“, die ergänzend zu den drei traditionellen „Gewalten“ Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit treten soll. Mir persönlich reichen diese drei Gewalten, so wichtig und unentbehrlich kritische journalistische Berichterstattung auch ist.

„Hier dürfte jemand den Begriff ‚vierte Gewalt‘ gründlich missverstanden haben.“


Im Gegensatz zu Legislative, Exekutive und Gerichtsbarkeit sind nämlich Medien nicht Teil des Staates, sondern stehen – von Ausnahmen wie dem ORF abgesehen – in privatem Eigentum. Dass es dabei auch um unternehmerische Interessen geht, kann man in den bekannt gewordenen Chats zwischen der „Heute“-Eigentümerin Eva Dichand um dem ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid nachlesen. Die Vermutung liegt demnach nahe, dass zwischen Regierungsinseraten in bestimmten Medien und der allgemeinen Tendenz der Berichterstattung ein Zusammenhang besteht, womit den Beteiligten noch lange keine strafbare Handlung unterstellt wird. „Wir können auch anders“ (nämlich eine der jeweiligen Regierung eher unangenehme Berichterstattung machen), ist jedenfalls in den Chats nachzulesen. Hier dürfte jemand den Begriff „vierte Gewalt“ gründlich missverstanden haben.

Man kann gespannt sein, wie der Gesetzgeber auf die Affäre reagieren wird. Ein Verbot für die öffentliche Hand, Inserate zu schalten und Kampagnen zu führen, wäre unsinnig. So halten ernstzunehmende Expertinnen und Experten es beispielsweise weiterhin für sinnvoll, Werbung für Impfungen zu machen, und die erfolgt nun einmal auch über Inserate. Auch andere Kampagnen, wie die, dass sich die Menschen bewegen oder bei ihrem Aufenthalt in der Natur ihre Grenzen respektieren sollen, sind nicht nur grundsätzlich sinnvoll, sondern weisen auch eine Umwegrentabilität auf. In Zeiten des Arbeitskräftemangels muss beispielsweise auch der Staat offensiv um Personal, vor allem in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, werben.
Klar ist, dass für mehr Objektivität in der Inseratenvergabe gesorgt werden muss und eine unabhängige Instanz, am besten der Rechnungshof, die Kontrolle vorzunehmen hat.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.