Hanno Loewy

Kommentar

Hanno Loewy

Nur Bares ist Wahres?

Vorarlberg / 23.08.2023 • 11:05 Uhr

Auch als Literaturwissenschaftler kann man so manches über Ökonomie lernen. In Goethes Faust Teil II zum Beispiel, der eher unpopulären Fortsetzung des populären Klassikers. Da erfährt man so nebenbei einiges über die moderne Geldwirtschaft. Da kommt Mephisto auf die nachhaltige Idee, dass es doch einfacher ist, das Gold im Boden zu lassen und billiges Papier zu bedrucken – und den Wert vom Kaiser, oder vom Staat garantieren zu lassen. Seit der Abschaffung der Goldmünzen zahlen wir alle mit wertlosem Blech oder Zetteln, die nur ein Versprechen darauf sind, dass der Staat und seine Institutionen funktionieren. Ein Versprechen darauf, das unser gegenseitiges Vertrauen am Ende stärker sein muss, als unser Hang zu grenzenloser Bereicherung auf Kosten anderer.
Doch die Rechtspopulisten im österreichischen Polittheater haben im Sommerloch das Thema Bargeld entdeckt. Weil Bargeld verspricht doch Freiheit. Wenn man es hat.

„Die Rechtspopulisten im österreichischen Polittheater haben im Sommerloch das Thema Bargeld entdeckt.“

Und zwar soviel davon, dass es sich lohnt, sich darüber Gedanken zu machen, wie man es ausgeben (oder Beiseite schaffen) kann, ohne dass es Spuren hinterlässt. So viel, dass man auch im Alltag mit solchen Beträgen um sich werfen will, die jene Grenzen überschreiten, die der Staat, oder die böse EU, einem womöglich setzen mag, um dem ärgsten Missbrauch jener „Freiheit“ ein paar Schranken zu setzen.
Noch „konsequenter“ ist es da nur, auf Geld ganz zu verzichten – und auf Gold oder mit absurdem Energieeinsatz „geschürfte“ Kryptowährungen zu setzen. Und damit der Wirtschaft Werte entziehen. Dafür wird einem ein Gewinn versprochen, den es freilich nur dann gibt, wenn die anderen verlieren. So wie beim betrügerischen Pyramidenspiel.
Doch über das „Recht auf Bargeld“ eine Verfassungsdebatte zu führen ist nur die nächste Kapriole einer Politik, die mit Nebelgranaten um sich wirft: damit keiner des „Kaisers neue Kleider“, also seine elende Nacktheit erkennen mag. Zu den wirklichen Problemen fällt ihm nämlich nichts ein. Und da die EU längst festgeschrieben hat, dass Bargeld neben elektronischen Zahlungsmitteln erhalten bleibt, ist die ganze Debatte auch vollkommen sinnlos. Natürlich wird dennoch festgelegt werden, wo die Grenze zu potentiell kriminellem Missbrauch gezogen werden muss. Politzocker, die ihr Schwarzgeld gerne in der Sporttasche auf dem Rücksitz spazieren fahren, mag das tatsächlich als Einschränkung ihrer Freiheit erscheinen. Uns hingegen raubt solche „Politik“ das Vertrauen in die Institutionen. Und das ist wirklich schlecht für unsere Ersparnisse.

Hanno Loewy ist Direktor des ­Jüdischen Museums in Hohenems.