Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

Dienstbare Geister

Vorarlberg / 22.11.2023 • 11:00 Uhr

Mein frühester Berufswunsch formte sich im Gitterbett, das im Schlafzimmer meiner Eltern stand. Ich wollte Müllmann werden. Die Männer der städtischen Mullabfuhr waren die einzigen, die um fünf Uhr früh ungestraft Lärm machen durften. Da vor allen Häusern metallene Tonnen darauf warteten entleert zu werden, schepperte es in einem fort, dass die Möwen mit erschrecktem Kreischen in die Höhe fuhren. Als wäre dies nicht genug, tauchten orangene Drehlichter den ganzen Straßenzug in mystisches Licht.

Manchmal riefen die Männer einander Halbsätze zu, dann kletterte ein heiseres Lachen die Hauswände hoch, und die aus ihrem Schlaf gerissene Mutter schloss rasch die Fenster. Es musste etwas Lustiges gewesen sein, aber doch für Kinderohren ungeeignet. Später schenkte mir das Christkind eine detailgetreue Nachbildung des Müllwagens in Plastik und 30 Zentimeter Länge, graue Tonnen inklusive. Aber die schepperten nicht. Ich verlor rasch das Interesse.

Heute begleiten keine Berufswünsche die Müllabfuhr der Gemeinde mehr, bei der jetzt auch Frauen arbeiten. Aber ein großer Respekt ist geblieben. Bei der Unmenge an Dingen, die wir achtlos wegwerfen, gibt es doch Menschen, die sie sammeln, trennen und verwerten. So bleiben unsere Straßen sauber, als wäre es die größte Selbstverständlichkeit der Welt. Und kaum einer bemerkt es. Vielleicht sollten sie wieder Metalltonnen verwenden. Damit man sie wenigstens hören kann.