Malick Bah musste seine Heimat Gambia verlassen: “Das Schlimmste war die Angst”

Malick Bah hat hier ein Zuhause gefunden. Nun hilft er armen Kindern in seinem Herkunftsland.
DORNBIRN Ein Leben in Würde. Ein Leben ohne Angst. Das ist Malick Bah lange verwehrt geblieben. Jetzt sitzt er da, der höfliche, ein wenig schüchterne 32-jährige Gambier, und erzählt, warum er seine Heimat verlassen musste und wie er in Vorarlberg gelandet ist.
Der kleine westafrikanische Staat Gambia mit zweieinhalb Millionen Einwohnern und mehr als 20 Sprachen zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Malick Bahs Leben beginnt am 22. August 1991 in der Stadt Brikama. Er gehört der Volksgruppe Fulbe an. Er wächst mit seinen Eltern und dem sechs Jahre jüngeren Bruder Keba auf, absolviert Grund- und Mittelschule. Dann muss Malick Bah Geld verdienen. Er nimmt verschiedene Jobs an, etwa in einer Gärtnerei sowie als Maler und Anstreicher.

Brutale Verhöre
2014 arbeitet er im Möbelgeschäft eines Freundes – ein Journalist, der sich mit der Regierung anlegt und deshalb flüchtet. Malick Bah wird daraufhin festgenommen, verhört und einen Monat lang ins Gefängnis eingesperrt. „Das war brutal“, erinnert sich der junge Mann. „Ich bekam nichts zu essen, wurde geschlagen. Jeden Tag. Bei jedem Verhör. Sie wollten aus mir herausprügeln, wo mein Freund sich versteckt hielt. Ich hatte keine Ahnung.“ Nach seiner Entlassung wird Malick Bah gewarnt, man werde ihn jederzeit wieder verhören. Da beschließt auch er zu flüchten. Seine Fluchtroute führt über Senegal, Mali, Burkina Faso und Niger nach Libyen. Dort arbeitet er so lange, bis er 600 Dollar beisammenhat. Damit ergattert er einen Platz in einem Schlauchboot, das Flüchtlinge nach Italien bringen soll. An einem Abend verlässt das hochseeuntaugliche Boot mit etwa 800 Passagieren an Bord die libysche Küste. „Viele Menschen sind während der Fahrt gestorben“, berichtet er. „Die Leichen wurden ins Wasser geworfen.“

Am nächsten Tag entdeckt die Mannschaft eines italienischen Frachtschiffes das überfüllte Schlauchboot. Nach einer schwierigen Rettungsaktion werden die Überlebenden zur italienischen Insel Lampedusa gebracht.
Malick Bahs nächste Ziele sind Mailand, Innsbruck, das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, ein Flüchtlingsheim in Wien. Im Februar 2015 kommt er über die Caritas nach Vorarlberg und wird in der Flüchtlingsunterkunft Gaisbühel untergebracht. Auf die erste Befragung durch das BFA (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) folgt ein Negativ-Bescheid. Und Malick Bah lebt fortan in Angst vor der Abschiebung. Auch weitere Verfahren um einen Aufenthaltstitel enden negativ. 2020 erhält er aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse, die er sich mittlerweile angeeignet hat, sowie eines zugesagten Arbeitsplatzes die Rot-Weiß-Rot-Karte. Diese berechtigt ihn hierzubleiben und zu arbeiten. „Mein Leben ist jetzt gut“, sagt er zufrieden und lächelt zum ersten Mal. „Ich habe einen guten Job” – beim Fruchtsafthersteller Rauch – „und ein Dach überm Kopf.“ Er wohnt in Dornbirn.

Anfang dieses Jahres reist Malick Bah zum ersten Mal seit der Flucht nach Brikamo und wird mit der Armut vieler Kinder konfrontiert. Er ist erschüttert: „Den Kindern geht es sehr schlecht. Sie haben kein Trinkwasser, keine Medizin, keine Schulsachen, keine Schuhe.“ Dankbar für das Leben, das er in Vorarlberg führen kann, beschließt er, notleidenden Kindern in seinem Herkunftsland zu helfen. Musa (7) und Amie (9) unterstützt er bereits. Er ermöglicht den beiden den Schulbesuch. „Da sind aber noch so viele andere Kinder, die dringend Hilfe brauchen“, betont er. Alleine schaffe er das nicht, darum habe er sich an die Hilfsorganisation Vindex – Schutz und Asyl gewandt. Deren Obfrau Eva Fahlbusch erklärt sich sofort bereit, ein Hilfsprojekt mit Hauptfokus auf Bildung zu starten. (Spendenkonto: Vindex – Schutz und Asyl, Kennwort „Kinder in Gambia“, Hypo Landesbank, IBAN: AT13 5800 0105 8858 5013, BIC: HYPVAT2B. Spende ist steuerlich absetzbar.)

Warten, warten, warten
Im Rückblick auf seine Odyssee sei das Schlimmste die Angst gewesen. Zuerst im Schlauchboot auf dem Meer, dann die Angst vor der Abschiebung in Vorarlberg: „Es ist schwierig, sechs Jahre ohne Aufenthaltstitel hier zu leben. Und warten, warten, warten. Das macht die Nerven kaputt.“
In Vorarlberg hat sich Malick Bah rasch zurechtgefunden, „weil ich viel Kontakt mit Einheimischen habe, die mich von Anfang an unterstützt haben“. Da gibt es zum Beispiel eine Familie, die er über Caritas-Betreuer kennengelernt hat und mit deren Hilfe er seine Sprachkenntnisse verbessert. Und da ist Eva Fahlbusch, die immer ein offenes Ohr hat. Für alles.
Heimweh nach Gambia? „Nein. Mein Leben ist jetzt hier.“ Und da ist es wieder, das Lächeln in seinem Gesicht.