“Viele haben noch nicht erkannt, dass es sie auch betrifft”

Aus einer kleinen Gruppe wird eine große Bewegung: Immer mehr Menschen machen gegen oberirdischen Bahnausbau mobil.
Lochau, Bregenz Lange waren sie Einzelkämpfer. Seit zehn Jahren setzt sich die Genossenschaft “mehramsee” für eine Unterflurtrasse der Bahn ein. Anfangs von vielen belächelt, ist aus einer kleinen Gruppe eine große Bewegung geworden. Inzwischen machen immer mehr Vorarlberger gegen einen oberirdischen Bahnausbau mobil. Elisabeth Steger und Christoph Kalb wohnen direkt an den Gleisen. “Das ist nichts, was nur uns betrifft. Ich glaube, dass vielen noch gar nicht bewusst ist, was zusätzliche Gleise bedeuten würden”, so die beiden, die selbst Mitglieder der Genossenschaft sind.

Auch in den Rathäusern und Gemeindeämtern formiert sich Widerstand. Zuletzt hat sich nach Lauterach und Bregenz auch Lochau mit einem Gemeindevertretungsbeschluss auch formell klar gegen eine oberirdische Gleiszulegung ausgesprochen. “Wir Lochauer lassen uns das schöne Bodenseeufer nicht kaputt machen”, spricht Bürgermeister Frank Matt von einer fraktionsübergreifenden Haltung.

Auch Matt stellt klar, dass dies nicht nur eine Angelegenheit der Anrainer und der jeweiligen Gemeinden ist. Es handle sich hier entlang des Sees um einen der schönsten Flecken des Landes. “Es ist Sommer-Erholungsgebiet für alle Vorarlberger.” Und das solle auch so bleiben. Mehr Bahngleise würden zu mehr Verkehr führen und mehr Güterverkehr zu mehr Lärm. “Mit den notwendigen Lärmschutzwänden würde der Zugang zum See weiter eingeschränkt. Das darf nicht passieren”.
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Würde man zweigleisig über Lochau drüberfahren, hätte das jedenfalls Widerstand zur Folge, macht Matt klar. Die Gemeinden sind entschlossener denn je. Zudem ist nach anfänglicher Zurückhaltung mittlerweile auch die Landesregierung auf “Unterflur-Kurs”. Ob die Unterflurlösung zwischen Güterbahnhof Wolfurt und der Staatsgrenze bei Hörbranz unterhalb der Bestandstrasse verlaufen soll oder durch den Pfändertunnel geführt wird, müsse von Experten geklärt werden. Im Lochauer Gemeindevertretungsbeschluss wird jedenfalls dezidiert eine gleichwertige Prüfung im Rahmen des angelaufenen Prozesses gefordert.
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Das ist in Bregenz nicht anders. Elisabeth Steger und Christoph Kalb sind vor acht Jahren in ihr Haus direkt an der Bahntrasse am Seeufer gezogen. “Der Zug hat uns nie gestört. Wir fahren gerne selbst damit”, so die beiden. Vielmehr sei es eine Qualität, nahe der Bahn zu wohnen. Weitere oberirdische Gleise hätten aber fatale Folgen. “Dann wohnt der Zug am See und nicht mehr der Mensch”, macht Kalb klar. Das betreffe dann längst nicht mehr nur die direkten Anrainer selbst. “Das ist eine essenzielle Sache für ganz Vorarlberg. Bei zusätzlichen Gleisen bräuchte es vier Meter hohe Schallschutzwände. Es käme zu völlig inakzeptablen Schrankenschließzeiten und die Hälfe der neuen Pipeline müsste den Gleisen geopfert werden”, so Kalb, der auch Stadtvertreter (Grüne) in Bregenz ist.

Einigkeit herrscht bei der Bedarfsfrage. Mit der Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene werde es zusätzliche Gleise brauchen, sind sich Anrainer und Politik einig. “Auch wenn es uns auf den ersten Blick wegen der Nähe zur Bahntrasse besonders betrifft, hat es Auswirkungen auf die ganze Region”, so Elisabeth Steger. Das haben auch viel Gemeinden erkannt. “Es will niemand mehr Lärm und weniger Seezugang”, beschreibt Bürgermeister Frank Matt die allgemeine Stimmung.