Thomas Matt

Kommentar

Thomas Matt

Vor Prinzen sei gewarnt

Vorarlberg / 17.01.2024 • 07:00 Uhr

In den abgehalfterten Morgenstunden einer Ballnacht, in der sich das Wunder der Liebe auf den ersten Blick partout nicht hat ereignen wollen, da kann es geschehen. Oder auch gegen Ende einer Urlaubsreise meinetwegen, wenn sich das erhoffte Glück nicht biegen ließ – dann erscheint als letzter Rettungsanker der Kompromiss, und man küsst – lau und halbherzig – einen Frosch (oder eine Fröschin oder wie das heißt), in der stillen Hoffnung jedenfalls, dass Märchen wahr werden. 

Denn die Gebrüder Grimm haben es 1815 ja dem Volk so erzählt: Wer einen Frosch küsst, wacht mit einem Prinzen auf. Manchmal jedenfalls. Dieses Bild wirkt derart verlockend, dass viel zu selten der Umkehrschluss erörtert wird. Dabei ereignet sich der weit öfter.

Spulen wir zurück. Auf dem Höhepunkt einer rauschenden Ballnacht also mag es geschehen oder auch während einer Urlaubsreise in einer lauschigen Strandbar, dass sich das Gegenüber so zauberhaft in Szene setzt, dass man sich vollends verliert: Der Prinz, die Prinzessin ist gefunden – endlich! Ein Kuss, eine Nacht … und anderntags der Rausch der Verwandlung. Bei Licht betrachtet hat sich der Prinz als Frosch entpuppt. Ja, so kann’s gehen. Deshalb gilt vom Faschingskränzle bis hin zur Wahlkabine vor allem in diesem Jahr erhöhte Vorsicht: Wer auf die vermeintlichen Prinzen hereinfällt und auf ihre verlockende Erzählung, muss damit rechnen, später einen Frosch ertragen zu müssen. Und sein ganzes elendes Gequake.