Nicht nur Kickl
Die relative Blütezeit der Demokratie droht sich ihrem Ende zuzuneigen. Auch in Dornbirn sind zuletzt mehrere tausend Menschen auf die Straße gegangen, um zu zeigen, dass ihnen gewisse Entwicklungen nicht egal sind. Es gibt Feinde, die offen als solche auftreten. Wenn sich FPÖ-Obmann Herbert Kickl als „Volkskanzler“ und Andersdenkende als „Volksverräter“ bezeichnet, ist das demokratiefeindlich: Er maßt sich ungebeten von vielen an, im Sinne aller zu agieren. Und er duldet daher auch das nicht, was eine demokratische Gesellschaft ausmacht; dass es viele Standpunkte gibt. Wobei Mehrheiten zwar entscheidend sind, aber nicht unbegrenzt. Eine Grenze wird durch Menschenrechte gezogen, die unumstößlich sind und für alle gelten. Sowohl für In- als auch für Ausländer, ob Flüchtling oder Diplomat.
„Es ist wesentlich, dass Bürgerinnen und Bürger zeigen, dass sie sich Demokratiepflege statt -beschädigung erwarten.“
Es ist jedoch gut, dass das in Dornbirn keine Anti-Kickl-Demo war. Der Mann ist austauschbar, es geht um den Inhalt. Außerdem tritt Kickl zwar offen mit der Abrissbirne auf, wie es die AfD in Deutschland tut oder Donald Trump in den USA. Das darf aber nicht blind für Entwicklungen machen, die von anderen angetrieben werden und ebenfalls problematisch sind.
Wichtig für Demokratie sind etwa gelebter Parlamentarismus und starke Medien. Der Idealzustand ist nie erreicht. Schlimm ist jedoch, wenn man sich davon entfernt. Das ist ein Prozess, der läuft.
Zum Auftakt parlamentarischer Untersuchungsausschüsse ist diese Woche deutlich geworden, dass es weniger denn je um Aufklärung geht. Es lief eine Schmierenkomödie, die so weit reichte, dass man der (Medien-)Öffentlichkeit einen blickdichten Paravent in den Weg stellte, sie in gewisser Weise also ausschloss. Das war ein Synonym für Verdunkelung genauso wie für eine Beschädigung des Parlamentarismus. Und ausgerechnet der Mann, der hier besonders gefordert gewesen wäre, fehlte: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Bis heute ist er dem Eindruck, dass ihm das alles völlig egal ist, nicht entgegengetreten.
Nur noch jeder zweite Österreicher, jede zweite Österreicherin vertraut dem Parlament. Das ist kein Wunder. Wenn man jedoch bedenkt, dass es sich dabei um das Herz der repräsentativen Demokratie handelt, ist es eine Katastrophe.
Wichtig für Demokratie wären zudem eben starke Medien. Im Sinne informierter Bürger braucht es viel Journalismus mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Es gibt jedoch immer weniger davon und weite Teile der Politik neigen dazu, es dem, der noch ist, schwer zu machen. Das ist eine Entwicklung, die schon unter Werner Faymann (SPÖ) lief und die in der „Message Control“ gipfelte, die mit Sebastian Kurz (ÖVP) eingeführt wurde und sich gehalten hat. Es geht darum, zu kontrollieren, was an die Öffentlichkeit gelangt. Am einfachsten funktioniert das, indem sich ein Bundeskanzler, Minister oder Parteichef dieser nicht mehr stellt, sondern schriftliche Mitteilungen versendet. Das ist Mode geworden. Weil es „lästige“ Fragen erspart. Auch so hält man sich Öffentlichkeit vom Leib.
Was wäre nötig? Auf die Zivilgesellschaft kommt es an. Genauer: Es ist wesentlich, dass Bürgerinnen und Bürger zeigen, dass sie sich Demokratiepflege statt -beschädigung erwarten. Gerade in einem Superwahljahr kann das wirken
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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