Im Bodensee steckt noch viel mehr Energie

In Vorarlberg wären laut Studie sieben Energiezentralen möglich.
Bregenz Das Prinzip ist eigentlich ganz einfach: Man pumpt Seewasser aus rund 25 Meter Tiefe über eine Leitung in die Energiezentrale, wo dem Wasser mit einem Wärmetauscher Wärme entzogen und an ein separates Wärmeverteilnetz übergeben wird. Das Seewasser fließt anschließend in rund 30 Meter Tiefe wieder zurück in den See. Das Heiz- oder Warmwasser wird, bevor man es in die angeschlossenen Gebäude verteilt, mit einer Wärmepumpe auf die gewünschte Temperatur gebracht. Beim Kühlen funktioniert es umgekehrt. Auch der Bodensee soll künftig vermehrt als Energiequelle genutzt werden.

„Wir haben in Vorarlberg eine riesengroße Herausforderung, weil 45 Prozent des Gesamtenergiebedarfs in Vorarlberg in das Heizen in Gebäuden fließt. In Bregenz ist der Anteil an fossilen Heizungen der höchste aller Landeshauptstädte. 90 Prozent aller Gebäude werden hier noch mit Öl und Gas geheizt“, erläuterte Energielandesrat Daniel Zadra am Montag bei der Präsentation einer Studie, die im Vorjahr vom Land im Auftrag gegeben wurde.
3400 Gebäude
Am Kaiserstrand in Lochau wird das Bodenseewasser bereits zum Heizen und zum Kühlen genutzt. In Bregenz ist derzeit eine Anlage in Bau, die Anfang 2025 in Betrieb gehen soll. Für die Studie wurde zunächst der Energiebedarf anhand eines GIS-basierten Gebäudemodells berechnet, eine Wärmedichtekarte erstellt und dann die möglichen Standorte der Entnahmestellen sowie die Trassenverläufe definiert. „Die Ergebnisse der Studie sind sehr vielversprechend“, erläutert Zadra. Mit dem Wasser aus dem Bodensee können demnach in Lochau, Bregenz und Hard rund 3400 Gebäude geheizt und gekühlt werden. „Das entspricht einem Energieäquivalent von 240.000 Gigawattstunden, was umgerechnet 24 Millionen Liter Öl bzw. 750 voll beladene Lkw pro Jahr sind“, rechnet Projektleiter und Studienautor Markus Frei von PB-Ingenieure in der Schweiz vor. Insgesamt wurden sieben potenzielle Standorte für Energiezentralen identifiziert, zwei in Lochau, vier in Bregenz und einer in Hard. Die Gemeinden Fußach, Höchst und Gaißau sind aufgrund der Distanzen und der Seetiefe für eine thermische Seeenergienutzung „eher ungeeignet“.

Ein Zehntel Grad
„Es konnten keine negativen Auswirkungen auf die Ökologie festgestellt werden. Das mögliche Wasserkraftwerk in Lochau wurde mitberücksichtigt, Badestellen und das Trinkwasser sind nicht gefährdet“, zitiert Zadra aus der Studie. Studienautor Frei ergänzt: „Der geschätzte Kältebezug im Sommer ist deutlich kleiner als der Wärmebezug im Winter. Die im Seemodell berechneten Auswirkungen zeigen, dass sich die Temperatur lediglich lokal um ein Zehntel Grad erhöht. In der Flachwasserzone ändert sich durch den Kühlbedarf nichts, da das erwärmte Wasser nicht in die Flachwasserzone gelangen kann. Im Winter kommt es rechnerisch zu einer etwas stärken Abkühlung des Flachwasserbereichs. Die ist im Hinblick auf die Durchmischung positiv zu sehen.“

Die Energie aus dem See soll 17 bis 21 Cent/Kilowattstunde kosten. Zum Vergleich: Eine Kilowattstunde Gas kostet in Bregenz aktuell rund 15 Cent. “Werden die Kosten für Wartung, Unterhalt und Amortisation der Gasheizung noch dazugerechnet, kostet die Kilowattstunde am Ende 18 bis 23 Cent”, führt der Studienautor und Projektleiter aus. Mit der Anlage in Bregenz werden zunächst Hallenbad und Festspielhaus gekühlt und geheizt. “In einem nächsten Schritt gehen wir in Richtung Innenstadt. Hotels, Banken und auch große Hausverwaltungen sind interessiert”, berichtet Energiestadtrat Heribert Hehle. Markus Frei geht davon aus, dass bis zum Endausbau in Vorarlberg 15 Jahre vergehen werden.