Alarmierende Daten: Jeder vierte junge Mann im Land „untauglich“
![APA3743756-2 – 11052011 – WIEN –
STERREICH: ZU APA-TEXT CI – THEMENBILD – Illustration zum Thema Musterung (Stellung): Eine EKG-Messung an einem jungen Mann am Donnerstag, 10. Mrz 2011, im Rahmen seiner Musterung in der Wiener Stellungskommission. Jedes Jahr kommen rund 40000 junge Mnner zur Musterung, um sich auf die Tauglichkeit bzw. Untauglichkeit fr den […]](/2024/03/ABD0017-20110511-1-768x523.jpg)
Extrem hoher Wert bei Vorarlbergern: Gewichtsprobleme haben stark zugenommen.
SCHWARZACH. Im jüngsten Gesundheitsbericht der Statistik Austria sind alarmierende Daten zu jungen Männern enthalten: Beim Geburtsjahrgang 2004, der zum größten Teil im Jahr 2022 „gemustert“ worden ist, war ziemlich genau ein Viertel der Vorarlberger „untauglich“. Die Betroffenen können nicht zum Wehr- oder Zivildienst herangezogen werden. Der Anteil von 23,1 Prozent war ungewöhnlich hoch. In allen anderen Bundesländern war er deutlich niedriger. Durchschnittlich belief er sich auf gerade einmal 16,9 Prozent.

Erklärungen? Michael Bauer, Sprecher des österreichischen Bundesheeres, berichtet nach Rücksprache mit der Stellungskommission in Tirol, die auch für Vorarlberger zuständig ist: „Es gibt keine wirkliche Erklärung dafür. Es könnte aber mit Corona zusammenhängen.“
Dafür spricht eine Entwicklung, die vom Boden- bis zum Neusiedlersee feststellbar ist: Mit den Pandemiejahren ist der Anteil der Übergewichtigen stark gestiegen. Bei den Stellungspflichtigen aus Vorarlberg waren 29,4 Prozent von 1874 jungen Männern des Jahrganges 2004 übergewichtig. Bei weiteren 11,3 Prozent wurde Adipositas, also starkes Übergewicht, festgestellt. Zusammen waren das ganze 40,7 Prozent.
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Die Einstufungen erfolgen nach dem „Body-Mass-Index“. Bei 180 Zentimetern Körpergröße bedeutet das beispielsweise, dass von rund 81 bis 97 Kilogramm von Übergewicht und darüber von Adipositas die Rede ist.
Wolfgang Dietz vom Kinderärztezentrum Feldkirch hat zahlreiche Patientinnen und Patienten mit „extremer Fettsucht“, wie er berichtet: „Wenn man fragt, wann das angefangen hat, heißt es oft, in der Pandemie.“ Besonders Pubertierenden habe sie zugesetzt. Genauer: Die Buben und Mädchen seien mit Beschränkungen bis hin zu Schulschließungen nicht zurechtgekommen. Sie sind laut Dietz kaum noch rausgegangen, sondern haben „ins Handy geschaut“. Herausgekommen seien unter anderem psychische Störungen, die von Ess- über Schlafstörungen bis hin zu Verhaltensproblemen reichen würden.

Der Bregenzer Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, Rainer Taferner, ortet eine „extreme Übergewichtsproblematik“: „Die Zukunftsperspektive vieler unserer betroffenen Kinder ist äußerst düster, zumal jetzt auch schon die ersten Fälle von sogenannter Altersdiabetes und dessen Vorstufe diagnostiziert werden. Es liegt mittlerweile eine regelrechte Pandemie dieses Krankheitsbildes vor, die die Gesundheitssysteme an ihre Grenzen bringen wird.“ In der Coronapandemie ist nach Einschätzung von Taferner „mehr vom Falschen“, nämlich hochverarbeiteten Nahrungsmitteln, gegessen worden; häufig als „Ersatzbefriedigung“, gerade von Kindern und Jugendlichen, die nicht altersentsprechend leben konnten.

Christian Netzer, Leiter der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwaltschaft, warnt davor, von einer „verlorenen Generation“ zu sprechen: „Viele sind gut herausgekommen aus der Pandemie. Aber bei denen, die psychisch schon davor angeschlagen waren, hat sich das verstärkt, spürt man die Auswirkungen noch immer.“ Lichtblick: „Der größte Vorteil ist, dass man darüber spricht“, so Netzer. Es gebe zudem ein Bemühen um Lösungen. Das sei umso wichtiger, als es „die eine einfache Lösung“ nicht gebe.