Wie Beziehungen unser Leben bereichern: “Kommen in ein Defizit, wenn wir zu sehr auf uns selbst fokussiert sind”

Vorarlberg / 22.03.2024 • 15:55 Uhr
Wie Beziehungen unser Leben bereichern: "Kommen in ein Defizit, wenn wir zu sehr auf uns selbst fokussiert sind"
Gute Beziehungen sind der Schlüssel zu lebenslanger Gesundheit und Glück, sagt Bertram Strolz im Gespräch mit Mirijam Haller (VN). VN/Sams

Entdecken Sie in der vierten Folge Glücksimpulse, wie tiefgehende Beziehungen zu einem erfüllteren Leben führen.

Bregenz Ein glückliches Leben führen und tiefe Zufriedenheit spüren – wer möchte das nicht? Wissenschafter der renommierten Harvard Universität haben sich das auch gefragt. In einer der längsten Studien überhaupt wurden über 80 Jahre hinweg über 2000 Personen befragt. Dabei begleiteten sie den Lebensweg der Teilnehmenden, die aus verschiedenen sozialen und ökonomischen Verhältnissen stammten. Alle zwei Jahre erfasste das Forschungsteam umfassende Daten zur geistigen und emotionalen Gesundheit der Probanden und ihrer Familien, um dem Geheimnis eines glücklichen Lebens auf die Spur zu kommen.

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“Über Generationen hinweg war die Antwort auf die Frage, was im Leben am wichtigsten ist, durchweg die Beziehung zu anderen Menschen”, erklärt Bertram Strolz. In der vierten Folge der VN-Serie “Glücksimpulse” geht der Psychotherapeut und Gründer der Akademie für Positive Psychologie im Gespräch mit VN-Moderatorin Mirijam Haller näher auf die Bedeutung gelingender Beziehungen ein. “Es sind die tiefen, sinnhaften Verbindungen, die uns das Gefühl geben, wirklich zu leben und Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein.”

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Bertram Strolz betont, dass ein Mangel an Empathie und zwischenmenschlicher Nähe nicht nur individuelle, sondern auch gesellschaftliche Auswirkungen hat. VN

Positive Beziehungen im Alltag

Trotz der offensichtlichen Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen, verweist Strolz auf eine steigende Tendenz zur sozialen Isolation und wachsender Einsamkeit in unserer Gesellschaft. Die zunehmende Bedeutung von Egozentrik und Selbstverwirklichung widerspreche dem tiefverwurzelten menschlichen Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit: “Wir kommen in ein Defizit, wenn wir zu sehr auf uns selbst fokussiert sind und weniger auf andere, weil wir ein Stück weit abhängig von anderen sind”, erklärt Strolz. Dieses Bewusstsein über unsere gegenseitige Abhängigkeit beschreibt er als essenziell: “Unabhängigkeit ist die Akzeptanz der Abhängigkeit.” Er unterstreicht die Notwendigkeit, unsere Beziehungen zu pflegen und zu schätzen. Denn Dysfunktionen in Beziehungen, sei es im privaten oder beruflichen Umfeld, können signifikant zu Burnout beitragen: “Entscheidend für die Gesundheit ist es, die positive Gestaltung von Beziehungen in den Mittelpunkt zu rücken.

Aber was macht eine Beziehung gelingend? Laut Strolz basieren gute Beziehungen auf Freundlichkeit, Wertschätzung und Respekt. Er betont die Wichtigkeit des Zuhörens als Beitrag zum positiven Miteinander. “Einfach einmal die Klappe halten kann ein Beitrag zum Positiven, vor allem in Beziehungen, sein”, sagt der Psychotherapeut mit einem Augenzwinkern und fügt hinzu, dass die Qualität unserer Beziehungen nicht nur unser persönliches Glück, sondern auch unsere Gesundheit entscheidend beeinflusst.

Wie Beziehungen unser Leben bereichern: "Kommen in ein Defizit, wenn wir zu sehr auf uns selbst fokussiert sind"
Menschen, die Beziehungen führen, in denen sie sich wohlfühlen und Wertschätzung erleben, führen nachweislich ein gesünderes und längeres Leben. VN/Sams

Helfen hilft Helfern

Strolz liefert praktische Ratschläge, wie wir im Alltag positive Beziehungen fördern können: von der Wichtigkeit gemeinsamer Mahlzeiten in der Familie bis hin zur Bedeutung kleiner Gesten der Freundlichkeit gegenüber Fremden. Er ermutigt dazu, die moderne Technologie bewusst für die Pflege von Beziehungen zu nutzen, ohne jedoch den direkten, persönlichen Kontakt zu vernachlässigen. “Es ist entscheidend, Würde, Anstand, Freundlichkeit und Respekt in die kleinen Momente unseres Alltags zu integrieren”, betont Strolz.

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Dabei bezieht er sich auf Forschungen der US-Psychologin Barbara Fredrickson, die diese Gesten als “Micro-Moments of Positivity” oder “Random Acts of Kindness” (zufällige Akte der Freundlichkeit) beschreibt. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass solche spontanen Gesten der Freundlichkeit auf unterschiedliche Arten unser Wohlbefinden stärken: Sie fördern die eigene Dankbarkeit, lösen die Ausschüttung von Glücksbotenstoffen im Gehirn aus und senken das Stresslevel.

Wie Beziehungen unser Leben bereichern: "Kommen in ein Defizit, wenn wir zu sehr auf uns selbst fokussiert sind"
“Es ist entscheidend, Würde, Anstand, Freundlichkeit und Respekt in die kleinen Momente unseres Alltags zu integrieren”, betont Strolz. Sams

Ein Aufruf zur Menschlichkeit

Die Qualität unserer Beziehungen bestimmt nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern prägt auch das Klima einer Gemeinschaft, ist Bertram Strolz überzeugt: “Einsamkeit hat eine gesellschaftspolitische Relevanz. Wir sind zu stark auf uns selbst bezogen und zu wenig empathisch, wie es anderen geht.”

Dabei könne die Pflege von Beziehungen und die spontanen Akte der Freundlichkeit nicht nur unser individuelles Wohlbefinden steigern, sondern auch eine tiefgreifende Wirkung auf das Zusammenleben insgesamt haben. “Die Würde und den Respekt im Umgang miteinander wiederzubeleben wäre ein Schlüssel zu einer gesünderen und glücklicheren Gesellschaft.”

Praktische Übung für den Alltag: Kleine Gesten der Freundlichkeit (“Random Acts of Kindness)

Eine einfache Übung, die nicht nur das eigene Wohlbefinden steigert, sondern auch anderen eine Freude macht und mehr Glück in die Welt bringt, sind sogenannte “Acts of Kindness”, also Gesten der Freundlichkeit. An einem ausgewählten Tag führen Sie Ihre Akte der Freundlichkeit durch. Die Regel ist, dass sich das Gegenüber über die Geste freuen oder einen Nutzen daraus ziehen kann. Dabei kann einem die Person bekannt oder unbekannt sein, die Gesten können gezielt oder spontan unternommen werden.

Planen Sie im Voraus einige dieser Gesten und notieren Sie sie. Dies kann beispielsweise das Bezahlen eines Kaffees für jemanden sein, jemanden an der Kasse vorzulassen oder das spontane Senden einer netten Nachricht. Am Tag der Freundlichkeit führen Sie Ihre geplanten Akte durch. Wiederholen Sie diesen Tag alle paar Wochen mit verschiedenen Akten der Freundlichkeit.

Diese kleine Intervention funktioniert bereits durch die Freude, die beim anderen ausgelöst wird. Und natürlich durch die freundliche Tat, die das Wohlbefinden des Gebenden stärkt.

Wie Beziehungen unser Leben bereichern: "Kommen in ein Defizit, wenn wir zu sehr auf uns selbst fokussiert sind"

Alle bisher erschienenen Folgen im Überblick:

Folge 1: Positive Psychologie – Kann man Glück lernen?

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Folge 2: Die Macht der positiven Emotionen

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Folge 3: Engagement: Warum uns das Helfen glücklich macht

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Erfahren Sie in Teil 5 der VN-Serie Glücksimpulse: Warum die Glücksformel in Beziehungen liegt (2/2).