Vom Flüchtling zum Dolmetscher: Hassan Liban ist ein gefragter Mann bei Gericht

Vorarlberg / 03.04.2024 • 10:50 Uhr
Hassan Liban, Dolmetscher
Hassan ist gebildet, sein Vater studierte in den 60ern in Rom Politikwissenschaft (zeigt das Abschlusszeugnis seines Vaters). C. Eckert

Hassan Liban (36) kam, lernte und arbeitete viel, heute ist er Somalischübersetzer.

Feldkirch Im Sommer 2008 landete Hassan Libans Flugzeug in Wien. Geboren ist er in Shalaambod, einer kleineren Ortschaft. Aufgewachsen ist er in Mogadischu, Somalias Hauptstadt, die rund 90 km von seinem Dorf entfernt liegt. Damals war es noch leichter, das Land zu verlassen, meint er. Lange, lebegefährliche Schlepperrouten übers offene Meer blieben ihm erspart.

Hassan ist eines von acht Kindern, seine Mutter wohnt noch in Somalia, sie muss sich um ihre Mutter kümmern. Sein Vater ist verstorben. „Er studierte in Rom gemeinsam mit Silvio Berlusconi Politikwissenschaft“, erzählt Hassan und hält stolz dessen Abschlusszeugnis in die Kamera. Italienisch konnte sein Vater, denn der Süden und die Mitte des heutigen Somalias war einst italienische Kolonie, im Juli 1960 wurde das Gebiet unabhängig. Danach kehrte der Vater von Hassan zurück nach Somalia, arbeitete als Politiker, musste dann aber wegen politischer Unruhen nach Europa fliehen.

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Schwerer Start

Dem jungen Flüchtling Hassan wurde in Österreich Asyl gewährt, er ging drei Jahre in die HTL, arbeitete als Briefträger, machte bei der Post den Lkw-Führerschein, arbeitete als Taxifahrer und besuchte in Innsbruck eine spezielle Dolmetscherschule, wo er auch die Prüfung bestand. Anfangs, 2015, übersetzte er somalischen Patienten in der Innsbrucker Klinik und half der Polizei Sachverhalte zu klären. Auch in Asylfragen hatte er einiges zu tun. Dann kam noch der Bereich Gericht und damit neues Fachvokabular wie „Strafnachsicht“ oder „Entschlagungsrecht“ dazu.

Hassan Liban, Dolmetscher
Der Somalischübersetzer macht die Aussagen des Angeklagten für das Gericht verständlich.

Hassan erinnert sich an zwei Jobs, die er gleichzeitig hatte. Mit Einverständnis des Dienstgebers, radelte er mit seinem gelben Postrad und der gelben Postuniform direkt zum Landesgericht Innsbruck, weil er spontan als Übersetzer benötigt wurde. „Staatsanwalt und Richter haben gelacht, wie ich in dieser Postuniform auftauchte, ich hatte keine Ahnung, wie man sich hier bei Gericht kleidet”, lacht der 36-Jährige.

Hassan Liban, Dolmetscher
Der einstige Flüchtling machte Dienst beim österreichischen Bundesheer.

Heimat gefunden

Mittlerweile ist Hassan in Innsbruck verheiratet, seine Frau ist ebenfalls Somalierin, die beiden lernten sich in Österreich kennen. Sie haben vier Kinder und fühlen sich hier zuhause. „Das ist jetzt meine Heimat, ich will nicht zurück“, zeigt sich der einst Vertriebene zufrieden. Er hat den Bundesheerdienst geleistet und besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. „Mir gefallen die Berge sehr gut“. Gekocht werden viele vertraute Gerichte aus der alten Heimat. „Aber Wiener Schnitzel oder Nudeln mit Käse esse ich auch sehr gerne“, kann Hassan auch hiesigen Gerichten einiges abgewinnen. Die Temperaturumstellung machte ihm anfangs zu schaffen. In Mogadischu zeigt das Thermometer stets zwischen 28 und 35 Grad.

Gefragter Mann

Heute pendelt Hassan zwischen Tirol und Vorarlberg hin und her, mehrmals monatlich muss er im Ländle übersetzen. Der Dialekt sei anfangs eine Herausforderung gewesen, grinst er. „Gomma usse“ sei so ein Beispiel gewesen, das ihn stets vor Rätsel stellte. Aber auch Somalisch, gleichbedeutend mit Somali, eine afroasiatische Sprache, sei nicht einfach, meint er. In Afrika gibt es rund 2000 verschiedene Sprachen, die meist wenig gemeinsam haben. „Selbst von Leuten aus den angrenzenden Staaten wie Äthiopien oder Kenia verstehe ich kein einziges Wort“, räumt Hassan ein. Hin und wieder reist Hassan in seine Heimat auf Besuch. Aber er ist froh, dass es Österreich gibt und wir sind froh, dass wir Herrn Hassan Liban als Übersetzer und Landsmann haben.