Psychotherapeut Bertram Strolz: “Charakterstärken sind Werkzeuge, um ein guter Mensch zu sein”

Vorarlberg / 05.04.2024 • 16:45 Uhr
Aufnahmen der VN-Serie Glücksimpulse mit Bertram Strolz im Vorarlberg Museum. Teil 3
Der Fokus sollte mehr auf die vorhandenen Stärken gelegt werden, so ein wesentlicher Grundgedanke der Positiven Psychologie. VN/Paulitsch

Erfahren Sie in der sechsten Folge der VN-Serie “Glücksimpulse”, wie die Auseinandersetzung mit den eigenen Charakterstärken die eigene Lebenszufriedenheit erhöhen kann.

Bregenz Die Wissenschaft liefert viele Belege, dass ein guter Charakter und ein tugendhaftes Leben längerfristig glücklich machen können. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass Menschen, die im Sinne ihrer Stärken handeln, nachweislich zufriedener und seltener krank sind. Im Panoramasaal des vorarlberg museums erörtert Psychotherapeut Bertram Strolz, Experte für positive Psychologie, in der sechsten Folge der VN-Serie “Glücksimpulse” gemeinsam mit VN-Moderatorin Mirijam Haller die Bedeutung und den Einfluss der Charakterstärken auf unsere Lebenszufriedenheit und die persönliche Entwicklung.

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Mehrere Wissenschaftler und Experten auf dem Feld der Positiven Psychologie, darunter die renommierten Psychologen Martin Seligman und Christopher Peterson, untersuchten die menschlichen Stärken und Tugenden – ein Bereich, der lange Zeit der Philosophie und Theologie vorbehalten war. Dafür durchforsteten sie über einen Zeitraum von drei Jahren historische Quellen und Schriften verschiedenster Kulturen. Daraus leiteten sie universell gültige Tugenden und Stärken ab, die zeitunabhängig, interreligiös und kulturübergreifend sind. Diese Stärken, unterteilt in sechs Tugenden – Weisheit, Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Mut, Mäßigung und Transzendenz –, bilden das Fundament eines guten Lebens. “Die Tugenden kann man dann leben, wenn man sich seiner eigenen Charakterstärken bewusst ist. Die Charakterstärken sind im Endeffekt die Werkzeuge dazu, ein guter Mensch zu sein”, so Strolz. Zu den 24 Charakterstärken gehören Fähigkeiten wie Fairness, Humor, Dankbarkeit, Ausdauer oder Neugier (vollständige Auflistung siehe unten). Sie sind teilweise angeboren, können aber auch trainiert werden.

Aufnahmen der VN-Serie Glücksimpulse mit Bertram Strolz im Vorarlberg Museum. Teil 3
Wenn man sich seiner eigenen Stärken bewusst ist und diese ausleben kann, ist man zufriedener, betont der Psychotherapeut. VN/Paulitsch

Der Ansatz verschiebt den Fokus von Defiziten zu Stärken und trägt zu einer verbesserten Selbstwahrnehmung und Lebenszufriedenheit bei. “Kann man mehrere dieser Stärken ausleben, sei es im Beruf oder in einer Partnerschaft, fühlt man sich glücklicher und zufriedener”, erklärt Bertram Strolz. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Charakterstärken kann nicht nur das Selbstbewusstsein und den Selbstwert steigern, sondern ist auch ein Schlüsselelement für psychisches Wohlbefinden und psychische Gesundheit. Umgekehrt fühlen wir uns unzufriedener, wenn wir unsere Stärken nicht ausleben können.

Aufnahmen der VN-Serie Glücksimpulse mit Bertram Strolz im Vorarlberg Museum. Teil 3
“Unser Bildungssystem und viele Führungseben sind auf Schwächen ausgerichtet”, kritisiert Strolz im Gespräch mit Mirijam Haller (VN). VN/Paulitsch

Der Schlüssel zum Glücklichsein ist, die eigenen Stärken zu kennen und sich dieser bewusst zu sein. Mit dem Charakterstärkentest der Universität Zürich (UZH), der 240 Fragen umfasst, können die persönlichen Stärken erkannt werden. Mit der Teilnahme an dem kostenlosen Test unterstützt man außerdem die aktuelle Forschung der Fachrichtung Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik am Psychologischen Institut der Universität Zürich.

Chance für das Bildungssystem

Der Psychotherapeut kritisiert in diesem Zusammenhang das Bildungssystem, das tendenziell auf die Schwächen von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet ist. Strolz plädiert für einen stärkenorientierten Ansatz sowohl im pädagogischen Bereich als auch in Unternehmen, der zu Exzellenz statt Durchschnitt führen kann: „Unser Bildungssystem und auch viele Führungsebenen hinken da noch ein bisschen hinten nach. Trotz der Erkenntnisse aus dem psychologischen Forschungsfeld, geben in aktuellen Studien nur 20 Prozent der Befragten an, dass sie das Gefühl haben, ihre Stärken täglich einsetzen zu können”, unterstreicht Bertram Strolz. Er appelliert, sich den eigenen Charakterstärken nicht nur bewusst zu sein, sondern sie auch aktiv im Berufs- und Privatleben einzusetzen. Dies stärke nicht nur das individuelle Wohlbefinden, sondern habe auch das Potenzial, unser gesellschaftliches Zusammenleben positiv zu beeinflussen.

Die sechs Tugenden und 24 Charakterstärken im Überblick

  1. Weisheit und Wissen (kognitive Stärken): Kreativität, Neugier, Urteilsvermögen, Liebe zum Lernen, Weisheit
  2. Mut (emotionale Stärken): Authentizität, Tapferkeit, Ausdauer, Enthusiasmus
  3. Menschlichkeit (interpersonale Stärken): Bindungsfähigkeit, Freundlichkeit, soziale Intelligenz
  4. Gerechtigkeit (zivile Stärken): Teamwork, Fairness, Führungsvermögen
  5. Mäßigung (Stärken, die gegen Exzesse schützen): Vergebungsbereitschaft, Vorsicht, Demut und Bescheidenheit, Selbstregulation
  6. Transzendenz (spirituelle Stärken): Wertschätzung von Schönheit, Dankbarkeit, Hoffnung, Humor, Spiritualität.

Praktische Übung für den Alltag: Fokus auf die eigenen Stärken richten

Auf der Webseite www.charakterstaerken.org der Universität Zürich steht der VIA-IS-Fragebogen mit 240 Fragen zur Verfügung. Durch das Ausfüllen des Fragebogens kann man mehr über sich selbst und seine Stärken erfahren.

In einer weiteren Übung nehmen Sie sich einen ruhigen Moment und denken Sie über Ihre bisherigen Lebensleistungen nach. Was haben Sie erreicht? Worauf sind Sie besonders stolz? Achten Sie auf jeglichen inneren Widerstand, der beim Gedanken an Ihre Erfolge und Stärken aufkommt. Fragen Sie sich: Fühle ich mich unwohl dabei, meine Erfolge anzuerkennen? Warum könnte das so sein? Erlauben Sie sich, stolz auf Ihre Errungenschaften zu sein. Reflektieren Sie, wie der Stolz auf Ihre Errungenschaften mit Ihren Charakterstärken zusammenhängt. Welche Stärken haben Sie genutzt, um diese Erfolge zu erzielen? Denken Sie darüber nach, wie Sie Ihre Stärken bewusst für zukünftige Herausforderungen und Entscheidungen nutzen können.

Diese Übung soll Ihnen helfen, die eigenen Charakterstärken zu erkennen und im Alltag bewusst einzusetzen, um das Selbstbewusstsein zu stärken und positive Beziehungen zu fördern.

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Alle bisher erschienenen Folgen im Überblick

Folge 1: Positive Psychologie: Kann man Glück lernen?

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Folge 2: Die Macht der positiven Emotionen

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Folge 3: Engagement: Warum uns das Helfen glücklich macht

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Folge 4: Der Schlüssel zum Glück liegt in Beziehungen

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Folge 5: Wie Beziehungen gelingen

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Psychotherapeut Bertram Strolz: "Charakterstärken sind Werkzeuge, um ein guter Mensch zu sein"

Folge 7 der VN-Serie “Glücksimpulse”, die am 13. April in den VN und vorab auf V+ erscheint, geht der Frage nach, warum Bewegung glücklich macht.